Regression? Legolize it!

Nostalgie mit Kindern, Teil zwei. Die Psychologen lockt man vielleicht besser mit dem Begriff der „legitimierten Regression“. Etwas anderes ist es ja wohl auch nicht, wenn ich neuerdings Techniken der Ingenieurskunst mit Legosteinen reaktiviere, die ich im Alter von zwölf bis sechzehn entwickelte. Den Bau von Türen mit Viertelkreissteinen als Scharnieren, Kräne mit Greifern, deren Stärke mit dem Gewicht der Ladung wächst, zielgenaue Armbrustwaffen… nein, die nicht. Schon gar nicht in einem Pazifistenhaushalt! Aber die Türen für den Jeep und der Greifer für den Containerkran haben Frido begeistert.

„Da wäre ich nicht drauf gekommen“, sagt er mit aller Souveränität seiner vier Jahre. Unpädagogisch bin ich. Wie soll er darauf kommen, wenn ich es baue? Aber das alte Fieber hat mich ergriffen. Am liebsten würde ich den Jeep ganz genau so bauen, wie er mir vorschwebt. Farblich homogen obendrein, aber das geht schon deswegen nicht, weil bereits zwei Kilo Steine im Containerschiff verbaut sind, ein Schwerlader von 50 Zentimetern Länge, neben dem die neuen Kreationen der Spielzeughersteller keine Chance haben. Es gibt tatsächlich ein Containerschiff von Playmobil – da passen gerade mal zwei Kisten drauf!

„Und auf UNSER Schiff“, erkläre ich Frido, der in der Drogerie andächtig vorm Spielzeugregal kniet, „passen zwanzig! Mindestens!“ Er sieht ein, dass es sich nicht lohnt, so ein fertiges Schrumpfschiff zu kaufen. Und dass auch alle Fahrzeuge, die wir aus Basislegos von ca. 1970 bauen können, locker die Neufabrikate übertreffen. Die bestehen zu zwei Dritteln aus Spezialteilen, die ohne Bauanleitung nur noch als Ornamente taugen. Von Fridos großer Schwester haben wir eine Menge solcher Teile, Raketensegmente, abgeschrägte Platten, allerdings auch zwei Seilwinden, die Frido nun am Jeep befestigt.

Er hat mich überzeugt. Als Legoan der alten Schule baute ich natürlich zuerst auch die Seilwinde aus antiquarischen Basisteilen, aber das Trumm hätte ein Fahrzeug von sieben Zentimetern Reifendurchmesser erfordert. Er hat es stillschweigend durch ein elegantes Fertigteil ersetzt, und allmählich werden wir zum Team. Ich sehe ein, dass ich nicht einfach so autistisch weiterbauen kann, wie ich 1978 aufhörte, und dass unsere Mehrgenerationenvehikel ihren chaotischen Charme haben, wie jene Kathedralen in Südfrankreich und Spanien, an denen in jedem Jahrhundert bis ins Barock herumgemörtelt wurde.

Ach ja, die Kathedrale. An der sind wir gescheitert. Eigentlich wollte Frido „Notre Dame“ nachbauen, am Ende wurde ein luxuriöser Kuhstall daraus. Auch dafür gibt es Parallelen in der Geschichte. Wenn ich es recht bedenke, ist meine neue Legomanie doch gar nicht regressiv, sondern, äh, soziale Plastik. Nur Fridos Mama hat da Zweifel, seit ich ihr neulich nachts um elf in der Küche stolz die Funktionsweise des Containerkrans vorführte. Sie tätschelte mir den Kopf und fragte mild: „Und was wünschst du dir zum Geburtstag?

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