Kategorie-Archiv: Blog

17. September 2025

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Es ist eigentlich ganz schön, nicht der Erste am Südpol zu sein. Da stehen schon welche? Wie gut, dann ist es ja wirklich die richtige Stelle! In meinem Fall war der Südpol die Vermutung, dass zwei der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts aus komplett verschiedenen Genres viel miteinander zu tun haben. Vom einen kannte ich vorher nur den Namen… So beginnt die jüngste Folge von Rausch & Räson auf VAN, wie immer, siehe oben, von Merle Krafeld illustriert. Die Anregung zum Text ergab sich aus der Arbeit an der Sendung Letzter Lichtflug für die Reihe Interpretationen auf Deutschlandfunk Kultur. Es geht um Sergej Rachmaninows Rhapsodie über ein Thema von Paganini, 1934 komponiert und im selben Jahr erstmals eingespielt – mit dem Komponisten am Klavier und Leopold Stokowsky am Pult des Philadelphia Orchestra. Zahlreiche Interpreten folgten bis heute, von Arthur Rubinstein bis Daniil Trifonov, von Dinorah Varsi bis Lise de la Salle – auch sie sind hier zu hören.

In der Abteilung “Essays” gibt es auf dieser Website jetzt ein kleines Festival für Younghi Pagh-Paan. Am 30. November wird die Komponistin 80 Jahre alt, und das wird schon ab kommender Woche beim Musikfest Berlin und der Münchner Reihe musica viva des Bayerischen Rundfunks gewürdigt. Dafür habe ich mich mit mehreren ihrer Werke wieder oder erstmals befasst: Sori (1980), Hohes und tiefes Licht (2012), Frau, warum weinst du (2023), alle für Orchester, und das Streichtrio NO-UL, das 1985 für Viola, Violoncello und Kontrabass entstand. “Das war mutig”, sagte sie über dieses Werk, als wir neulich dazu telefonierten. Denn sie hielt sich nicht an die Dogmen der Avantgarde, mit denen lange zuvor sogar schon Rachmaninow konfrontiert wurde…

2. September 2025

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Den Nachrufen auf Gabriel Feltz füge ich keinen hinzu. Ich erfuhr erst gestern, dass dieser großartige Musiker und Dirigent am vergangenen Freitag mit gerade erst 54 Jahren völlig unerwartet gestorben ist, und bin darüber fassungslos. Ich lernte ihn vor knapp zehn Jahren in Dortmund kennen, bei einem Gespräch für das Magazin der Oper Zürich, an der er gerade begonnen hatte, Wolfgang Rihms Hamletmaschine zu proben. Das Treffen war so gut, spannend und ergiebig, dass nicht nur ein Porträt für das Magazin daraus wurde, sondern auch ein Interview für VAN. Und noch mehr wurde daraus. Als Gabriel Feltz 2021 mitten im Lockdown seine Gesamtaufnahme der Mahler-Sinfonien herausbrachte – von 2007 bis 2019 live eingespielt mit den Stuttgarter Philharmonikern und den Dortmunder Philharmonikern -, wünschte er sich eine Art “first listener”-Text für das Booklet. Ich sollte dabei keine Rücksichten nehmen. Er freute sich aber doch, dass das Ergebnis “positiver, als ich erwartete” ausfiel. Sehr verhalten ausgedrückt! Seine Aufnahmen haben sicher nicht nur mich Gustav Mahler neu entdecken lassen. Den Text habe ich – das war so eine Art konstruktive Trauerarbeit – jetzt überarbeitet und auf diese Website gestellt, auch als Empfehlung für alle, die Gabriel Feltz mit Gustav Mahler noch nicht erlebten.

codex buranus, veni

Das hier ist ein Ausschnitt aus einer Seite des Codex Buranus, einer Handschrift mit mehr als 200 Texten und Liedern, die um das Jahr 1230 entstand und erst 1803 wiederentdeckt wurde. Mit großem Initial beginnen da Verse, die manchen Leser*innen vielleicht bekannt vorkommen: “Veni, veni, venias, / ne me mori facias, / hyrca, hyrce, nazaza, / trillirivos! / Pulchra tibi facies…” “Komm, komm, so komm doch,/ lass mich nicht sterben…” Es folgen unübersetzbare Freudenlaute, dann beginnt mit “Schön ist dein Gesicht” eine Lobpreisung in diesem Gedicht des Begehrens, das Carl Orff in seinen Carmina Burana vertonte mit weiteren 22 Texten aus dem Codex Buranus. Die Geschichte dieser Handschrift, die erst nach und wegen Orffs Welterfolg in ihrer ganzen Tragweite erschlossen wurde, finde ich nicht weniger spannend als die Musik der Carmina Burana, um die ich lange einen Bogen machte. Der mündete jetzt in unerwartete Hörfreuden und einen Essay für das Gürzenich Orchester Köln.

 

21. Juli 2024

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Den Namen Rachmaninow durfte man in Gegenwart von Nadia Boulanger nicht erwähnen. Die dramatische und tragische Geschichte dahinter hat mit Musikästhetik nichts zu tun. Sie würde das Format dieses Blogs sprengen, spielt aber eine Rolle im Salon Boulanger, einem musikalisch-literarischen Abend im Konzerthaus Berlin, am 19. November 2025, den ich für eine fantastische Besetzung konzipieren durfte. Das Trio Boulanger spielt Werke der Schwestern Lili und Nadia Boulanger, dazu Musik von Komponisten, die beiden (oder Nadia) nahestanden, wie Fauré, Debussy, Strawinsky, Piazolla. Verbunden ist das alles durch Texte, von Briefen und Tagebüchern über Gedichte und Zeitdokumente bis zu Dialogen, die von Christiane Paul und Ulrich Noethen gesprochen werden. Die Arbeit daran überschnitt sich teilweise mit der an einem anderen Projekt, das schon am kommenden Sonntag an die Öffentlichkeit kommt: ausgerechnet Sergej Rachmaninow! Seiner wunderbaren Rhapsodie über ein Thema von Paganini, 1934 für Klavier und Orchester in der nagelneuen Villa Senar in der Schweiz komponiert, ist die Folge der “Interpretationen” gewidmet, die am 27. Juli von 15.05 Uhr bis 17 Uhr von Deutschlandfunk Kultur gesendet wird: Letzter Lichtflug. Es sind da eine Menge spannender Funde zu machen, Jazz included. Und selbst Nadia Boulanger könnte diese Partitur gefallen haben… Nachtrag am 28. Juli: Die Sendung ist inzwischen online zu hören.