Die Markuspassion von Johann Sebastian Bach gibt es bekanntlich nicht, nicht mehr, und doch wird sie oft gespielt, auch heute in der Kölner Philharmonie. Ton Koopman dirigiert seine Rekonstruktion dieser 1731er Passionsmusik, von der nur die Texte erhalten blieben und von der als ausgemacht gilt, dass der Thomaskantor sich für dieses Werk bei eigenen, schon vorliegendenen Kompositionen bediente wie später auch für das Weihnachtsoratorium und die h-Moll-Messe. Seit mehr als 150 Jahren wird erkundet, welche Vorlagen für die Markuspassion passen könnten. Ich bin den Rekonstrukteuren in einem Text für das Kölner Programmheft nachgegangen, zu dessen Titel Die Lücke als Portal auf ganz andere Weise auch Claude Monets 1883er Sonnenuntergang bei Etretat passt.
Nicht nur für den Ostermontag empfehle ich Younghi Pagh-Paans wunderbares Orchesterwerk Frau, warum weinst du? Wen suchst du? 2023 unter der Leitung von Ingo Metzmacher in Donaueschingen uraufgeführt, folgt es den Worten, mit denen sich Jesus an Maria von Magdala wendet, die an seiner leeren Grabeshöhle weint. Dazu sagt die 1945 geborene Komponistin: „Mir geht es nicht um die biblische Auferstehungsgeschichte, sondern um den großen Trost, den ein suchender und weinender Mensch erfährt, und um die große Stärkung dadurch.“ Eine dicht und lebendig gefügte, schattenreiche, schmerzvolle, aber auch lichterfüllte und extrem gegenwartsoffene Musik..
Mit zwei anderen zeitgenössischen Komponisten sprach ich über ihren Bezug zu älterer Musik – mit Dieter Ammann und Manfred Trojahn, deren Werke demnächst beim Internationalen Musikfest der Elbphilharmonie zu hören sind. Für das aktuelle Magazin des Hauses schaute ich unter dem Titel Zurück in die Zukunft auch in die Werkstätten von Mozart, Bruckner, Berg, Boulez und weiteren, die in ihren Kompositionen auf frühere Musik, auf Kollegen, auf deren Passagen, Stile, Formen Bezug nahmen oder, wie Mozart im Requiem, einfach mal vier Takte “klauten”.