“Ob ich wirklich gerne aufnehme? Ich habe mich so daran gewöhnt, dass es mich nicht stört. Manchmal gefallen mir die Ergebnisse hinterher nicht, aber das ist eine andere Sache, das gilt auch für Konzerte mit Publikum. Ich würde viel lieber „live“ aufnehmen. Ich habe mir die Bänder meiner Konzerte angehört und muss sagen, dass ich manchmal die Spontaneität der Aufführungen dem vorziehe, was im Aufnahmestudio entsteht. Ob ich alles noch einmal aufnehmen möchte? Ja, warum nicht? Es liegt auf der Hand, dass man hofft, es beim nächsten Mal besser zu machen; man hat die Illusion, dass man sich noch entwickelt und neue Dinge zu sagen hat. Und es gibt sogar Leute, die so etwas bemerken.”
So gelassen äußert sich der 41-jährige Alfred Brendel auf den Innenseiten des Mozart-Albums, das 1972 in den Niederlanden erschien, ein Jahr, nachdem der Pianist von Wien nach London umgezogen war. Dort ist er am vorigen Dienstag in seinem 95. Lebensjahr gestorben, wie wir alle wissen. Das Album habe ich in Amsterdam gekauft, als die CD gerade das Vinyl abgelöst hatte und schwarze Platten billig wurden. Ich habe Brendel nur ein einziges Mal im Konzert gehört, vor gut 30 Jahren (wirklich!) in Leipzig. Ich war zu der Zeit Musikredakteur der Leipziger Volkszeitung, knapp drei Jahre lang, und Brendels Abend mit den drei letzten Klaviersonaten im Gewandhaus beeindruckte mich sehr. Wenn ich meine Besprechung (komisches Wort eigentlich!) von damals jetzt lese, bin ich nicht ganz sicher, ob ich alles verstehe, aber es wird klar, dass dieser Musiker sehr viel in Bewegung bringen konnte in den Köpfen seiner Zuhörer.
Neu auf dieser Website ist auch ein Essay zu einem anstehenden Konzertprogramm, nämlich dem nächsten des Gürzenich-Orchesters mit Mahlers Blumine, einer Auswahl seiner Wunderhorn-Lieder (ein Kosmos für sich) und Schuberts Sechster Sinfonie. Online weiterhin zu hören: Treffpunkt Klassik bei SWR Kultur und die Folge der Interpretationen bei Deutschlandfunk Kultur, in der es um die Mallarmé-Vertonungen von Debussy und Ravel geht. Eine neue Produktion für die Reihe ist in Arbeit: Am 27. Juli geht es um Sergej Rachmaninows 1934er Rhapsodie über ein Thema von Paganini, mit Interpreten vom Komponisten selbst über Rubinstein, Fleisher, Ashkenasi, Varsi bis zu den Solisten unserer Tage. Einen speziellen Auftritt hat dabei der großartige Jazzpianist Art Tatum…