Die Engel backen Plätzchen“, sagte Fridos Mama und zeigte nach Westen. Ein unwahrscheinliches Lila-Rosa-Orange glühte über den Feldern zwischen Streifen nachtblauer Wolken, während der Himmel darüber noch einen Hauch Seidenschimmer in einem Hauch Hellblau hatte. „Wieso?“ „Das sagt man so, weil der Sonnenuntergang aussieht wie die Glut in einem Ofen, in dem man Plätzchen backen kann.“ Das leuchtete Frido ein, denn wir haben neben dem neuen Herd auch einen alten in der Küche, mit Holz zu befeuern. Aber der Mond interessierte ihn mehr. Der war nämlich schon aufgegangen, ein weißgelbes Schälchen im Süden. Frido nahm einen Stein.
„Den werfe ich jetzt auf den Mond.“ „Das geht nicht, der ist viel zu weit weg“, sagte ich. „Aber versuch´s mal.“ Er versuchte es. „Auch“, sagte Paul und warf ebenfalls einen Stein. Plumps, auf den Feldweg. „Wie weit weg ist der Mond?“ Auweia. Eine von den zehn Fragen am Tag, die ich nicht beantworten kann. „Tausend Millionen Kilometer!“, schlug er vor. „Nee, das nicht. Aber so weit, dass man nur mit einer Rakete hinkommt.“ „Wie lange dauert das?“ Ich muss mir ein Smartphone besorgen, so geht das nicht weiter. Das Smartphone hätte mir gezeigt: 384.000 Kilometer, vier Tage und knapp sieben Stunden inklusive Abdocken der Landefähre „Eagle“ vom Mutterschiff „Columbia“.
So war es bei Apollo elf. Als ich knapp fünf Jahre alt war wie Frido jetzt, hatte noch kein Mensch den Mond betreten. Als ich sieben war, kauften meine Eltern ein Fernsehgerät, wegen der Mondlandung. Es gab Schnittchen, und alle saßen auf dem Bett meiner Eltern. Ich habe mir eigentlich nur gemerkt, dass mein Vater dem Moderator zurief: „Nun nimm doch mal die Bonse aus dem Bild!“ Denn während Armstrong und Aldrin auf den Trabanten hüpften,war rechts unten auf dem Bildschirm unablässig ein Mann im Anzug zu sehen, mit Hornbrille, der alles erklärte. Der sollte da mal seine Bonse wegnehmen! Bonse ist ein Wort für „Kopf“, das ich außerhalb meiner Familie nie hörte.
Frido weiß schon, seit er drei ist, dass Raumschiffe zum Mond flogen und dass der wirklich weit weg ist. Aber jetzt, als diese freundliche kleine Schale über den dämmernden Feldern hing und im Westen die ersten Plätzchen im Ofen der Engel fertig wurden, fand er doch, dass der Mond nahe war. „Ich will unter dem Mond stehen“, sagte er und stapfte los, über dasWintergrün eines Ackers direkt auf den Mond zu. Seine orangefarbene Jacke leuchtete, während er kleiner wurde. „Da kann er lange gehen“, sagte seine Mama gerührt. „Jetzt!“ rief er aus der Ferne und zeigte nach oben. Tatsächlich. Frido stand jetzt auf dem weiten Feld unter dem Mond. So nahe war dem Mond lange keiner mehr gewesen.
Auf dem Rückweg wollte er wissen, wie die Astronauten denn damals zurückgekommen sind. Ich wusste wenigstens, dass sie mit Fallschirmen im Meer landeten. Es ist ja jetzt noch kaum zu glauben. Eigentlich märchenhaft. Die Engel zogen die letzten Plätzchen aus dem Ofen und winkten dem Mann im Mond zu, und er winkte zurück, mit der kleinen Flagge von damals.
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