Die Kaffeemühle als Orakel

Krups GVX2, so genau muss man es schon sagen. Es gibt sie wirklich, diese Maschine. Aber wahrscheinlich steht bei uns das einzige Exemplar mit einem Muggla drin, oder mit einem Draht zur Welt der Dämonen. Es handelt sich um eine Kaffeemühle. Verglichen mit anderen elektrischen Kaffeemühlen ist sie ganz nett anzusehen, es gibt da ja geradezu Monster, Hochbauten aus Glas und Metall, mit vierzehn Tasten, WLAN-Anschluss und Gesichtserkennung. Nein, die GVX2 ist formschön, 20 Zentimeter hoch, oben schüttet man die Bohnen rein, Plexideckel drauf, unten zieht man die Plexischublade mit dem Pulver raus.

Es gibt einen Drehknopf für die Mahlstärke und einen für die Menge, und über dem einen Knopf. Der leuchtet blau, wenn man draufdrückt, und dann geht es los. Oder nicht. Dann macht es „rrk“ und verstummt. Das ist das Problem. Seit einem halben Jahr macht es ganz oft nur „rrk“, ebensooft aber „rrrrrrrrr“, dann atme ich auf. Einmal sahen Frido und Paul interessiert zu, wie ich mit der Kaffeemühle kämpfte, morgens, in Zeitnot, beim Frühstück. Wieder und wieder drückte ich den Knopf. Dabei wurde das „rrk“ immer länger, und beim zwanzigsten Mal sprang das Ding an: „Rrrrrrrrrrrrr…“. „Ahaaaa!“, sagte ich.

Frido lächelte. „Jetzt hat er losgelassen.“ „Wer?“ „Der Muggla, der da drin sitzt.“ „Ist da ein Muggla drin?“ rief Paul aufgeregt. „Ich glaube, ja“, sagte ich nachdenklich, „dem war das jetzt zu anstrengend.“ Wir haben uns ja längst mit der Existenz von Mugglas in diesem Haus nicht nur abgefunden, sondern befreundet, jener kleinen Fabelwesen, die man aus den Büchern mit Findus und Pettersson kennt, die Sachen verschwinden lassen und überhaupt sehr eigensinnig sind und dem Erwachsenenauge nicht sichtbar. Soeben, sagte Frido, habe er den Muggla aus der Mühle davonkrabbeln sehen, die Wand runter.

Also gut. Ich wollte eigentlich eine neue Mühle kaufen, aber wenn die GVX2 läuft, dann läuft sie prima, und jetzt weiß ich ja auch, dass der Muggla oder was immer das Laufwerk mitunter blockiert, beharrlicher Knopfdrückerei nachgibt. Ich habe es auch schon mit Konzentration versucht, oder Meditation: An nichts denken beim Drücken. Nichts wollen. Bewusst einen Moment der Bewusstlosigkeit erzeugen, wie einer, dem es anders nicht gelänge, vom Fünf-Meter-Brett zu hüpfen. Lass es einfach geschehen. Fühle die Weite des Kosmos. Jetzt! „Rrrrrrrrr…“ Jaaah! Oder eben „rrk“. Verdammte Scheibenbremse!

Nächster Schritt, das bockige Ding mit seinem Teufelchen in den Alltag zu integrieren, ist, die Meditation mit der Metaphysik zu verbinden. Ich benutze die GVX2 jetzt als Orakel. Vor einem langen, anstrengenden Tag sagt es mir, worauf ich mich einrichten darf. Springt sie an, wird alles besser laufen als gedacht, springt sie nicht an, muss ich in die Hände spucken. Zuerst den Muggla niederringen und dann Nachrichten wie die erwarten, dass die 300-Zeilen-Geschichte erst erscheinen wird, wenn sie Moos angesetzt hat, dass ein Interview platzt, dass die Umsatzsteuer… äh, nee, das will ich nicht wissen. Lieber noch einen Espresso. „Rrrrrrrr…!“ Danke, alles gut, wird schon.

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