Mein altes (soll heißen: mit acht Jahren prähistorisches) Tastenklapphandy mit Platz für fünfzehn Fotos drohte zum zweiten Mal den Geist aufzugeben. Beim ersten Mal hatte es die Pinkelattacke eines Säuglings wie durch Magie überstanden. Diesmal war es anders. Es begann, sich aufzublähen, und der Akku reichte nur für immer kürzer werdende Gespräche. „Sieht aus, als sei der Akku hin“, sagte die kluge große Schwester meiner Söhne. „Egal, jetzt reichts, ich wechsele zum Smartphone“, sagte ich. „Ein Smartphone? Irgendwie passt das nicht zu dir“, meinte sie, die selbst eins hat, „aber verstehen kann ich´s ja.“
Wunderdinge werden mir seit Jahren an diesen Smarties vorgeführt, Wolkenradar, Sternenhimmelanalyse, man kann von unterwegs mailen und nach Zugverbindungen schauen, das wissen Sie ja alles. Meine Begierden hatten sich aufgebläht wie das Handygehäuse, jetzt musste es sein. Ich unterschrieb im Laden einen Vertrag mit subventioniertem Smartphone. Dann zeigte ich dem Verkäufer mein altes Gerät. „Werfen wir doch mal einen Blick auf den Akku“, sagte der Mann. „Aha. Kurzschluss.“ Er tauschte den aufgequollenen Stromspeicher aus. Jetzt besaß ich also zwei intakte Geräte. Alles gut?
Ich empfand bei Entgegennahme des Päckchens einen Stolz ähnlich dem, der den Erhalt des ersten Sechserpacks Pelikano-Filzstifte mit sieben Jahren begleitete: Jetzt habe ich den nächsten Level erreicht. Nicht zu groß, schön flach, metallblau, schon schick, sowas. Die Gebrauchsanweisung war auf tschechisch, aber ich kriegte das Ding in Gang. Nur die Netzverbindung war entsetzlich langsam. „Das ist hier so, im Dorf“, sagte eine Nachbarin, die ich konsultierte. „Geh doch über euer WLAN im Haus.“ „Ja, aber wenn ich unterwegs bin im Zug?“ „Da geht es natürlich meistens nicht.“ Großartig.
Fürs WLAN musste ich den Netzwerkschlüssel eingeben, aber die auf dem Display erscheinenden Tasten waren so klein, dass ich mich dauernd vertippte. Für meine erste Test-SMS brauchte ich so lange wie für meine erste SMS überhaupt. „Das geht mit etwas Übung“, sagte die Nachbarin. Ich will aber nichts mehr üben. Ich kann genug, finde ich. Ich kann schreiben und lesen, sogar englisch, Musik machen und Kartoffelgratin, ich kann Windeln wechseln und Autofahren, es reicht jetzt mal. Ich übe doch nicht für eine Maschine, die nur da funktioniert, wo ich sie eh nicht brauche, und voll mit Schnickschnack ist!
Zum Beispiel dieses blöde Pfeifmotiv für eingehende Nachrichten – man kann das deaktivieren, aber mit dem Deaktivieren digitaler Dämlichkeiten habe ich schon ein Lebensjahr verbraten. Ich packte die Novität wieder ein. Profilieren kann man sich damit eh nicht. Aber ein Klapphandy wie ich haben auf der Welt noch weniger Menschen, als es Multimilliardäre gibt. Wir sind ein derartig elitärer Club, dass man mit Geld erst recht nicht reinkommt. „Sicher ist mancher Fortschritt gut“, hat jüngst der Karmapa gesagt, zweithöchster tibetischer Buddhistenführer, „aber innere Zufriedenheit hängt von etwas anderem ab.“
Ich wüsste zu gern, womit er unterwegs telefoniert.
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