Gestern habe ich ein Schwert gemacht. Geschnitten und geklebt, aus Pappe und Folie, aber doch ein Schwert, mit spitzer, langer, breiter, funkelnder Klinge, 40 Zentimeter inklusive Griff. So geht es zu in deutschen Pazifistenfamilien. Wir Kriegsdienstverweigerer sind machtlos gegenüber der Tatsache, dass Kinder „die konservativsten menschlichen Gesellschaften überhaupt“ bilden, wie Philippe Ariès in seiner „Geschichte der Kindheit“ schreibt. Man kann einen Fünfjährigen nun mal nicht unbewaffnet zu einer Piratenparty schicken. Piratenparties zu Kindergeburtstagen waren in früheren Jahrhunderten unüblich, Spielzeugschwerter keineswegs.
Das erste Schwert des Tages hatte sich Frido selbst auf Pappe gemalt und ausgeschnitten, sieben Zentimeter lang, das heftete ich ihm als Brosche an den Ringelpulli. Er brauche aber noch ein richtiges, meinte er. Ich zögerte nicht. Eine MP hätte ich ihm nicht gebastelt, oder eine Panzerfaust, aber so etwas Historisches, das in den bewaffneten Auseinandersetzungen der Gegenwart keine Rolle spielt, fand ich verantwortbar. Ich zeichnete mit dem Lineal den Umriss auf eine stabile Versandpappe und schnitt das aus. Beim ersten Kampf würde das knicken, fürchtete ich und klebte lieber noch eine Verstärkung an.
Es sah aus wie ein Pappschwert. Nicht gut. Also wurde die Klinge mit Alufolie verkleidet. Nun wirkten dagegen Heft, Knauf und Parierstange (das ist der Querstab zwischen Heft und Klinge) etwas schäbig. Fridos Mama brachte Goldfolie herbei, mit der sich auch der unchristlich halbmondförmige Knauf prima ausnahm. Frido strahlte vor Stolz, und ich stellte fest, dass mir das Waffenbasteln Spaß machte. Hatte ich nicht mit zwölf Jahren eine zielgenaue Armbrust aus Lego gebaut, um meine Klotztürme in Trümmer zu legen? Und meinen Eltern den Besitz eines Zündplätzchenrevolvers verheimlicht?
Später wurde und blieb ich Pazifist und habe das auch Frido so gründlich vermittelt, dass er neulich auf die Frage, ob es auch unwichtige Berufe gebe, ohne zu zögern „Panzerbauer“ sagte. Einerseits. Andererseits ist er von all den Panzern, die auf Zeitungsfotos aus Kriegsgebieten vor unsere Augen rollen, zutiefst fasziniert. Wie natürlich auch von der unerhörten Angriffslust und Beißwut nicht pflanzenfressender Saurier – vielleicht brauchen Fünfjährige einfach Formen, in denen sich ihre rumorende Energie spiegelt. Aber warum laufen eher Jungs als Mädchen mit Schwertern (egal, ob mit Laserklingen oder frühbarock) herum? Steckt das in den Genen? Vermitteln es die Großen unbewusst?
Frido traf an diesem Tag auf einen ernstzunehmenden Gegner. Der andere hatte ein Holzschwert! Und das Pappschwert bekam einen Knick. Jetzt ist mein Ehrgeiz erwacht: Ich habe versprochen, das Pappschwert zu verstärken. Vielleicht unknickbaren Kunststoff unter die Folie mogeln, harhar…! Oops, ich muss mal in mich gehen. Da ist noch längst nicht alles sublimiert.
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