Kategorie-Archiv: Blog

5. April 2023

bocca beyer

> Welche Oper das ist, werden dank der Namen wohl alle erraten, die Giuseppe Verdi kennen. Aber wer die Zahlen in den Klavierauszug schrieb, hier im Prolog, Szene 6 von Simone Boccanegra, und was sie bedeuten? Das hätte ich nicht gewusst, ehe ich Michael Beyer traf, einen der Großen in der Zunft der Bildregisseure, die Opernaufführungen und Konzerte für Liveübertragungen und DVDs filmisch umsetzen. Mehr als 250 Produktionen hat Beyer schon verantwortet. Für ein Porträt im MAG der Oper Zürich und auf deren Website hat er mir von seiner Arbeit und seinem Werdegang erzählt; als Interview ist das ab heute bei VAN nachzulesen. Anlass ist die Premiere von Charles Gounods Roméo et Juliette am Ostersonntag in Zürich, die am selben Abend zeitversetzt auf Arte zu erleben sein wird – mit Julie Fuchs und Benjamin Bernheim in den Titelrollen, in der Regie von Ted Huffman und in der Bildregie von Michael Beyer, der wieder sieben Kameras im Haus verteilt hat (das sind im Klavierauszug die umkringelten schwarzen Zahlen) und in hunderten von Einstellungen (blau nummeriert) das Bühnengeschehen ins Video übersetzt.

26. März 2023

grieg haus leipzig

> „An meine erste Begegnung mit Grieg, den ich dann so gut kennenlernte, erinnere ich mich hauptsächlich wegen einer wohlverdienten Abfuhr. Grieg, der einen katholischen Geschmack hatte, bewunderte zutiefst die Werke von Liszt. Und in meiner Welt war es gerade Mode, Liszt als Komponisten zu schmähen. Aber was man unter reifen Musikern akzeptieren muss, war wohl nicht hinzunehmen, wenn eine Studentin es sagte, und eine meiner Bemerkungen ließ Grieg so wütend überkochen, dass er fragte, was zum Teufel ein Dreigroschenschnösel wie ich sich dabei dächte, so über einen Meister zu sprechen. Am nächsten Tag, beim ersten Hahnenschrei, stapfte der liebe Mensch meine Treppe hoch, um sich zu entschuldigen. Dieser Zwischenfall legte das Fundament wärmster Sympathien zwischen mir und den Griegs, die später Früchte trugen.“

So erinnert sich die Komponistin und Autorin Ethel Smyth ans Leipziger Frühjahr 1879, als sie 20 Jahre alt war und der norwegische Komponist, längst berühmt, 35. Demnächst ist Smyth sozusagen zu Gast bei ihm, nebst Debussy, Satie und Schönberg. In der Edvard-Grieg-Begegnungsstätte in Leipzig (Talstraße 10, im einstigen Haus von Griegs Verleger, wo der Komponist selbst oft wohnte und wo sich der oben gezeigte Musiksalon befindet) gibt es am 29. April einen Abend zu „Flammen – Eine europäische Musikerzählung 1900-1918“. Gundula Mantu (Violine) und Anja Kleinmichel (Klavier) bringen die Protagonisten der Zeit zum Klingen – unter anderem mit den Violinsonaten von Smyth und Debussy – , der Autor liest. Und empfiehlt an dieser Stelle gleich mal Smyths erstes Buch zur Lektüre: „Impressions That Remained“, London 1919. Da findet sich auf Seite 242 die Passage zu Grieg. Es würde sich lohnen, auch den Rest zu übersetzen. Und eine Menge mehr von Smyth…

5. März 2023

> Wegen großer Zeitnot fällt dieses update heute kurz aus, damit es nicht ganz ausfällt, und damit auf das Interview mit Camilla Nylund in VAN wenigstens noch verlinkt werden kann, ehe sie heute nachmittag erstmals die Brünnhilde in Wagners Siegfried singt, in der Oper Zürich. Auf deren Website findet sich auch ein Porträt der finnlandschwedischen Sopranistin. Ebenfalls im Auftrag der Oper Zürich besuchte ich Sergej Rachmaninows Villa “Senar” am Vierwaldstätter See. Für das Ensemble “La Festa musicale” entstanden drei miteinander verbundene Blicke ins Hannover von 1690. Im aktuellen Magazin der Elbphilharmonie gehe ich der Frage nach: “Was ist eigentlich ,modern’?” Eine der Antworten darauf ist Andreas Staiers Debüt als Komponist.

Eine Antwort auf die Frage, welche “Relevanz” all das mit Blick auf die Opfer des Krieges und anhaltend bedrohliche Entwicklungen der Weltpolitik haben mag, gab Sigmund Freud 1933 in einem Brief an Albert Einstein: “Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.” Wie sich noch gegen den Krieg arbeiten lässt, darüber denken viele nach. Das Fazit der schwer erkrankten, bald 80 Jahre alten Grünen-Politikerin Antje Vollmer fällt dabei besonders ins Gewicht. “Was ich noch zu sagen hätte” erschien kürzlich in der Berliner Zeitung. Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung vom 26. Februar 2023 Vollmers Gedanken aufgegriffen.

Ein Hörtipp noch: Die fantastische Sendung “Transit ins Exil – Deutsche Literaten in Mexiko” auf Deutschlandfunk Kultur!