2 Reihen schiefer Baumumrisse säumtn jetzt den Weg (- unterm lichtlosen Dämmerbelag war das 1 gekipptes Domgewölbe!-). / Wir traten auf Bohlen; darunter schmatzte & klickerte schwarzes Wasser – (- und da´s mich gleich ankam-:) „Weißde, wie im ‚Goldrand‘ das Spuckn in Flüsse gedeutet wird?“ – „Ich kanns mir denken – ganz nach Freud!“ – „- richtich.“ (- daß diese Libido aber auch überall mitschwimmt! Ich spuckte trotzdem.) / Für ein Weilchn schweigen; jedem 1 glühender Punkt vor dem Mund=Werk.
Soweit das Zitat. Wenn Sie jetzt irritiert sind, prima. Von Arno Schmidt isses nich, klar. Aber auf seinen Spuren geschrieben, in jedem Sinne. Im Januar 1981 war das, zwanzig Monate, nachdem ein Schlaganfall den Schriftsteller gefällt hatte, die Folge von Jahrzehnten obsessiver Schreibtischarbeit. Zu den glühenden Fans des Prosarevolutionärs zählten zwei hannoversche Gymnasiasten kurz vorm Abitur, das waren mein Freund Boris und ich, und wir wallfahrteten nach Bargfeld. Das Haus fanden wir nicht, aber nie beschlich uns der Gedanke, dass es in Norddeutschland zwei Bargfelds geben könnte.
Der Schalterbeamte im hannoverschen Hauptbahnhof hatte das Dorf zuerst nicht im Kursbuch gefunden (von wegen PC) und uns dann in ein Bargfeld bei Gerdau geschickt. Da sannen wir einen weiten, kalten Tag lang dem Dichter und seinen Schriften nach. Irgendwann schickte ich die 65 Absätze, die ich darüber, Schmidt nacheifernd, schrieb, einem bekannten Exegeten des Dichters. Der machte mich darauf aufmerksam, dass das entscheidende Bargfeld, der Nabel der deutschen Literaturavantgarde nach 1945, unfern Celles liege. „Ansonsten ist die Geschichte ganz hübsch“, schloß sein Brief. Mittlerweile mag ich sie gerade darum. Wir hatten uns aus dem falschen Ort den richtigen gemacht!
Dem pingeligen Recherchierer Schmidt wäre das nicht passiert, aber der entgrenzte Fabulierer, der auch den Mond bevölkerte, hätte Verständnis gehabt. Für uns war er ein Befreier, der mit schärfster Autorität die Autoritäten zerfleischte, ätzend witzig und polyphon, der die Sprache zerlegte und subjektivierte, der Klänge wortete, die keiner komponieren kann, dem die Welt da war, um als Literatur erkannt zu werden. Wer ihm verfiel, brauchte lange, um auf Welt und Bücher auch wieder anders blicken zu können – und verlor nie einen Maßstab, neben dem der „Literaturbetrieb“ nichts als eben das ist.
Vor 100 Jahren, am 18. Januar 1914, kam Arno Schmidt in Hamburg als Sohn sehr einfacher Leute zur Welt. Sein Heidehäuschen, wohlerhalten, wird von der Arno-Schmidt-Stiftung betreut, die auf ihrer Website keinen Zweifel am richtigen Weg zum Meister lässt: „Bargfeld liegt an der L 282 Celle-Wittingen und ist ab Eldingen ausgeschildert. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es nicht zu erreichen. Der nächste Bahnhof liegt in Eschede (10 km entfernt).“
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Einen schönen Dokumentarfilm zeigt bis zum 22. Januar Arte Plus 7, einen Themenschwerpunkt bietet Literaturkritik.de