Er hat keine Groupies verheizt, nicht die Hüften kreisen lassen, ist nie vor bombastischen Kulissen herumgesprungen, er saß eigentlich meist am Klavier, eher gemütlich, so, wie das ein Barpianist tut – und das war Billy Joel ja auch mal. Dem 23-jährigen Kerl aus Brooklyn blieb nichts anderes übrig, nachdem sein erstes Album kaum Hörer fand. Auf dem zweiten erzählte er gelassen, Hände auf dem Manual, ab und zu Mundharmonika blasend, von diesem Job, vom „Piano Man“. Schönes Lied, in dem liebevoll auch der „old man sitting next to me“ gewürdigt wird, der in der Bar seinen Gin schlückelt.
Das war der Durchbruch. Der Rest ist Geschichte? Nicht nur. Jetzt nämlich zeigt es dieser ausgeruhte Glatzkopf vom Jahrgang 1949 all den entsetzlichen Rockgreisen, die, notdürftig zusammengenäht, immer wieder aus der Goldgrube ihres Ruhmes klettern und ihrer Jugend nachhopsen. Wobei deren schrecklichster sicher der Jüngste ist, der 53-jährige Blauglasbrillenträger Paul David Hewson, der unter dem Namen “Bono” beim jährlichen Goldeseltreffen in Davos den Hofgrinser macht und dort gestern mit Britanniens Premier David Cameron den Auftritt “Inspiring a new generation” bestritt.
Die neue wie die ältere Generation lassen sich aber lieber von Leuten inspirieren, die ihr Hand- und Mundwerk beherrschen. Billy Joel hat vor einiger Zeit beschlossen, alle vier Wochen im Madison Square Garden aufzutreten, und die ersten vier Konzerte bis April sind bereits ausverkauft. Man muss dazu wissen, dass diese Arena im Herzen von Manhattan Platz für 20.000 Zuschauer bietet, acht Mal soviel, wie in die Berliner Philharmonie passen.
Das ist kein Grund für die Klassikfraktion, neidisch zu werden, im Gegenteil. Zum einen ist Joel studierter Pianist. Außerdem ist er, wie ein guter klassischer Musiker, in Ruhe gereift. Und in Jahrzehnten komponierte er, auch ein gediegener Handwerker, Songs, die mit wenigen Mitteln Tiefe gewinnen – die Harmonik von „Just the way you are“ nimmt es mit jedem Kunstlied der Romantik auf. Auch wenn das gar nicht Joels Ehrgeiz war – die schwer bedrohte Darreichungsform „Liederabend“ feiert mit ihm (und freilich mit etwas mehr als nur einem Klavier) Triumphe, wie nicht mal Fischer-Dieskau sie kannte.
Nun wird er also zur Institution, zur festen Einrichtung über der Penn Station. Er will seine monatlichen Liederabende nämlich fortsetzen, so lange jemand kommt. In London läuft Agatha Christies Stück „Mousetrap“ seit 62 Jahren am Stück, den Rekord wird Billy Joel wohl nicht schlagen. Er kündet aber von einem beträchtlichen Bedürfnis nach Kontinuität. Gut möglich, dass in zehn Jahren, wenn Madison Square Garden einer U-Bahn-Erweiterung weichen soll, der Barde und seine Fans die Räumung verhindern. Dann wird Joel 75. Für Berufsjugendliche ist das ein Problem. Für Berufsmusiker nicht.
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