“Jetzt bin ICH wohl dran, oder?”

Die alten Jeeps mag ich gern, die neuen Geländewagen nicht, die Offroader und SUVs und wie die Suffköppe so heißen, die auf 100 Kilometer 13 Liter schlucken. Breitärschige, glänzende Schwellkörper, die jedem, der nicht gerade im LKW hinter ihnen fährt, die Sicht nehmen. Es werden immer mehr, während die Zahl schwer befahrbarer Savannen und Schotterpisten in Europa doch eher abnimmt. Die Großwagen dienen ja auch nicht dazu, unwegsames Gelände zu erschließen, sondern innerhalb der Zivilisation möglichst muskulös virtuelle Reviere zu markieren. My car is my castle, the road is my kingdom.

Und dann soll man ja auch sehen, wer die Kohle hat. Neulich rollten auf eine hannoversche Tankstelle nacheinander ein Mercedes und ein Porsche von der Sorte. Ich kenne mich da nicht aus und recherchierte nach: Der Porsche Cayenne links und der Mercedes G 63 AMG rechts kosten jeweils so ab 120000 Euro. Soviel hätte ich natürlich auch gern mal übrig, aber möchte ich so sein wie die Prachtexemplare, die den Fahrburgen entstiegen? Große, schwere Alphamännchen, freizeitlich in Jeans und Lederblousons gezwängt, die sich kannten und nun zähnebleckend begrüßten: Du hier und nicht auf Süllt?

Sie hatten wieder ordentlich was geschafft heute: 300 Gramm Kohlendioxid auf 100 Kilometer! Eigentlich wollte die EU-Kommission schon vor einem Jahr den Abgasgrenzwert auf 95 Gramm senken, aber Kanzlerin Merkel ließ zur Freude der Autohersteller die Abstimmung platzen. Erst kürzlich wurde durchgesetzt, dass in sieben Jahren alle Neuwagen nur noch 95 Gramm Klimakipper ausspucken – naja, nicht alle. Wer genug Elektroautos baut, darf zum Ausgleich auch weiter SUVs zusammenschrauben. An der Nachfrage ist nicht zu zweifeln, solange die Steuer auf Kapitalerträge bei 15 Prozent bleibt.

Sobald wird auch keine Sintflut die Fahrer breitärschiger Wagen und ihre Steuerberater vom Angesicht der Erde waschen, obwohl sie ihr Möglichstes tun, um den Meeresspiegel zu erhöhen. Und wenn er mal hoch genug ist, trifft es ja leider gleich alle. Sicher? Nein, man wird sich um die höheren Lagen rangeln, und ich weiß auch, wer darin am besten ist. Ich stehe in der Tankstelle so halb an der Kasse, noch zögernd, ob ich vielleicht auch noch einen ungesunden Schokoriegel mitnehmen soll, da steht auf einmal der Große aus dem G 63 AMG neben mir und sagt mit körnigem Bariton: „Jetzt bin ICH wohl dran, oder?“

Das „wohl“ und das “oder?” werden von der Körpersprache sofort neutralisiert. Der Mann hat eine Bugwelle wie sein Auto! Ich bin so fasziniert, dass ich ihn freundlich gewähren lasse und betrachte, als wäre ich auf Zeitreise. Aber ich könnte reisen, wohin ich wollte, in jeder Epoche träfe ich ihn wieder. Geländewagenfahrer gab es, rein genetisch, bereits vor den Menschen, unter den Sauriern. Ihretwegen ließ Gott die Echsen sterben. Nur die kleinsten und bescheidensten sollten überleben. Dieser Plan ist nicht ganz aufgegangen.

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