Happy Birthday, Dr. Alzheimer!

Wer denkt bei Ferrari noch an Enzo, den Rennfahrer? Es gibt Personennamen, die Begriffe wurden. Sie haben sich losgelöst von ihren Trägern und stehen nur noch für bestimmte Errungenschaften. Den Arzt Alois Alzheimer, der heute vor 150 Jahren in Unterfranken zur Welt kam, muss man schon fast dafür bedauern, dass er als erster jene Erkrankung beschrieb, die derzeit 15 Millionen Menschen betrifft und zum Alltagswortschatz zählt. Wer hat nicht schon mal gesagt, „ich glaub, ich hab´Alzheimer“, nur weil er die Schlüssel nicht findet?

Das ist nicht zynisch. Wir malen diesen Teufel an die Wand, um ihn zu bannen. Je mehr man sich merken muss und will – Pincodes, Passwörter, Infoflut, hunderte E-Mails, und hatte ich dem Smartphone schon gesagt, dass es die Kaffeemaschine anstellen soll? – desto mehr vergisst man. Gemessen an den Anforderungen sind wir alle defizitär, und vielleicht tröstet es dabei sogar, dass Alzheimer ja auch ein Name für ein schönes fränkisches Bier sein könnte. So wie Barre in Ostwestfalen, nach Brauereigründer Ernst Barre benannt.

Dass man auch ohne Alkohol und Alzheimer den Kopf verlieren kann, motivierte 1789 den Revolutionspolitiker Joseph-Ignace Guillotin zur Einführung eines Geräts, in dessen Schatten er seither steht. Dagegen leistete der Engländer Charles C. Boycott unfreiwillig einen Beitrag zu gewaltfreier Politik. Als Gutsverwalter in Irland unangenehm aufgefallen, wurde er 1880 von allen Pächtern gemieden. Seither heißt jede Ächtungsaktion Boykott. Ein solcher könnte die Bahn dazu bringen, den „Wuermeling“ wieder einzuführen.

Franz-Joseph Wuermeling setzte als Minister unter Adenauer anno 1956 eine DB-Fahrpreisermäßigung für Familien mit mindestens drei Kindern durch. Der Volksmund machte aus der Bescheinigung wahlweise „Karnickelpass“ oder eben „Würmeling“. Und noch bis 1999 reisten Kinder von 10 bis 18 für die Hälfte, es gab sogar eine „BahnCard Wuermeling“. Das haben die Bahnchefs längst vergessen. Kinderreiche Familien sind in der geriatrischen Festung Europa ohnehin selten geworden. Alzheimer selbst gründete noch eine.

Nachdem nämlich sein erster Patient der neurodegenerativen Erkrankung erlegen war, verliebte er sich in dessen Witwe und bekam mit ihr drei Kinder. Das war nicht wirklich ein Triumph der Medizin, aber immerhin vorweg eine Entschädigung für den schaurigen Ruhm, den der Name heute genießt.

Dieser Text erschien am 14.6.14 auch in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und im Tagesspiegel und ist urheberrechtlich geschützt