Rembrandt tauscht den Glühzünder aus

Am besten gäbe es überhaupt keine Krankheiten und Pannen. Am zweitbesten ist es, wenn sie einen wenigstens zum passenden Zeitpunkt treffen. Da ich als temporärer Alleinerzieher nicht krank werden darf, haben es höhere Mächte so eingerichtet, dass mich eine Malaise nur dann niederstreckt, wenn Frido und Paul in Obhut ihrer Großeltern sind. Dann hänge ich einen Nachmittag herum und trinke Fencheltee, esse trockenes Brot, träume nachts zehn Mal nacheinander denselben Blödsinn und bin am nächsten Morgen wieder fit. Mit den Pannen, scheint es ähnlich zu sein, unberufen, möge es so bleiben.

Ich hatte den ganzen Tag mit pestkranken Erfurtern des Jahres 1683 verbracht, also am Schreibtisch, und es wurde immer kälter. Ich litt Hunger wie sie (denn die Bauern brachten nichts mehr in die Stadt, und ich hatte mich seit dem Frühstück nur von Kaffee ernährt), also führte ich die Kälte aufs Thema und die Erschöpfung zurück. Ich wollte soviel wie möglich schaffen an dem Tag ohne die Jungs! Aber die Heizkörper selbst waren kalt, und am Heizgerät leuchtete eine rote Lampe, die ich nicht kannte. Ich rief, da es ein Samstagabend war, sofort den Notdienst an. Der Mann hatte einen netten holländischen Akzent.

Er fand ziemlich schnell heraus, dass der Glühzünder defekt war. „Das ist wohl länger nicht gewartet worden?“ Er zeigte mir die brüchige, rostige Halterung des Zünders. „Zehn Jahre?“ Ich holte eine Rechnung. Zuletzt war der Glühzünder vor zwei Jahren ausgetauscht worden, für alles in allem 85 Euro. „Hm“, sagte Herr van Rijn, denn so hieß er, wie Rembrandt. Zahlreiche Holländer tragen berühmte Namen, es ist halt ein kleines Land, dessen Goldenes Zeitalter so viele Leuchten hervorbrachte, dass dort bis heute jeder zweite Leuwenhoek oder Ruisdael oder Huygens oder Rubens heißt. „Hm“, sagte also Herr van Rijn.

Dann holte er einen neuen Glühzünder aus dem Wagen und stellte fest, dass der keine Fassung hatte. Also musste er wieder die alte, rostige nehmen. Das hatte sein Vorgänger wohl auch schon getan, damit war für ihn das Rätsel gelöst. Es komme auch gar nicht so auf die Fassung an, meinte er und schraubte. Fluff, das Gerät ging an, na bitte. Wenn Frido und Paul kommen, ist alles schön warm wie immer. Hätte ich am Montag angerufen, dann wäre frühestens am Donnerstag jemand gekommen, sagte er, ich könne von Glück sagen. Jetzt bin ich gespannt auf die Rechnung. Zuletzt nahm die Firma 42 Euro pro Stunde.

Wenn das mein durchschnittlicher Stundensatz als Freischaffender wäre, hätte ich den Stall schon längst zum Konzertsaal umgebaut. Dabei kann ich das bisschen, was ich kann, auch nicht schlechter als van Rijn, egal welcher. Aber darüber zerbrach ich mir jetzt nicht den Kopf. Ich war dankbar. Die Heizung war in genau dem Moment erkaltet, als auch der Glühzünder in meinem Kopf nicht mehr konnte, und wieder warm, ehe mich die Panik vorm Nachtfrost packen konnte. Die Panne hatte mich für heute von der Pest erlöst und mir den goldenen Boden des Handwerks gezeigt. Was will man mehr?

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