Komplott der kleinen Dinge

Am 6. Dezember vor 350 Jahren, zufälligerweise auch einem Samstag, geht der Erste Sekretär des Londoner Flottenamtes, ein lebensfroher Mann von 31 Jahren, in Westminster spazieren, mit diesen und jenem, es gibt viel zu bereden, England bereitet sich auf einen Krieg mit Holland vor, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Nicht aber die Halsbinde, von der wir nur wissen, weil der Flottensekretär auch Tagebuch führt, so gründlich, dass er deswegen seinerseits in die Geschichte eingehen wird: Samuel Pepys, Sohn eines Schneiders, plaudert nach Strich und Faden aus dem Nähkästchen.

Er trifft in Westminster die ihm zugetane Weißwäscherin Betty Lane, der er – sich bei den Kollegen entschuldigend mit dem Vorwand, er wolle eine Halsbinde kaufen – in ihren Laden folgt. „Dann ging sie zu sich nach Hause, und ich folgte ihr nach einer Weile. Dort…“, okay, das lesen Sie mal schön selbst nach. „Anschließend unterhielten wir uns lange, und sie bat mich, etwas für ihren Mann zu tun, was ich versprach. Dann kaufte ich eine Halsbinde von ihr, die ich auch zu tragen beabsichtige.“ Tatsächlich wurde Bettys frisch geheirateter Ehemann, der auch Samuel hieß, bald Proviantmeister der Flotte, außerdem erstmals Vater.

Vielleicht trug Samuel Pepys die Binde auch, als er Pate für das Kind seines Namensvetters stand, der es übrigens bis zum Konsul in Algier brachte und von dort dem Freund des Hauses einen zahmen Löwen zukommen ließ. Möglich, dass Pepys die alte Halsbinde in höheren Ehren hielt als das Geschenk aus Afrika. Jeder hat solche Fetzen, die er nicht wegwerfen mag, weil sie für die persönliche Weltgeschichte bedeutsamer sind als jede Urkunde. Und an all die kleinen Dinge kann man heute ja auch mal denken – 350 Jahre, nachdem die blütenreine Binde mit ihrer treulosen kleinen Geschichte in ein Londoner Tagebuch geriet.

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Sämtliche neun Jahrgänge der Pepys-Tagebücher mit 4991 Personen sind bestens erschlossen hier: www.pepysdiary.com.