Mozart, Mammon und Moët

Wie findest du Salzburg?“, fragte mich ein Kollege, der hier öfters zu tun hat. Ich sah die Hofstallgasse hinunter, an deren Rändern sich schon die Zaungäste versammelten. Ich versuchte mir Mozart vorzustellen, wie er hier rumwuselt. Die Gebäude sind ja alle noch da, in besserem Zustand als vor 260 Jahren. Ich sah auf das Schild am Getränkestand neben uns, vorm Festspielhaus: „Moët 91,- “, stand da. „Irreal“, sagte ich. Er grinste, als befriedige ihn die Antwort, und folgte meinem Blick zu dem Champagnerschild.

„Das kippen die einfach mal so weg“, sagte er, „dreizehn Euro das Glas.“ Die. Die kamen jetzt angefahren. Schwere Limousinen, denen auch der Autolaie den Preis ansah. Die Chauffeure würden den ganzen Abend hier warten, in und neben den Autos. Den meisten Ministern, Firmenchefs, Shareholders durfte man unterstellen, dass ihnen die Oper selbst, das Stück, wurstegal war, Jugendwerk des größten Sohns der Stadt. Aber ohne Oper gab es kein Schaulaufen.

Man stelle sich vor, diese Leute träfen sich gezielt nur zum Schaulaufen und Händeschütteln, ohne Premiere! Feingemacht, einander zunickend, Rangordnungen sichernd, Schampus kippend, zwei Stunden lang vorm Festspielhaus rotierend. Es wäre grotesk. Es geht nur mit Oper. Nur der kulturelle Mehrwert hält die Sache in Balance, außerdem kostet die Kunst, auch das ist gut, da kann man auch wieder etwas zeigen – und gab es nicht Mozarts „Lucio Silla“ genau deswegen? Weil Reiche das bestellt hatten?

Ich blickte an den Limousinen entlang, die sich in Kutschen verwandelten, vier- und sechsspännig. Die Kutscher standen daneben oder dösten auf dem Bock, Lakaien standen in Grüppchen herum, wo war denn der Unterschied? Und Kritiker gab es auch schon. Sogar viel schärfere als heute, zum Beispiel Voltaire, der im „Candide“ schrieb: „Mag, wer will oder kann, in Verzückung geraten, wenn irgendein Kastrat die Rolle des Cäsar oder Cato herunterträllert und mit unmöglichen Allüren auf der Bühne herumspaziert.“

Er meinte zwar speziell die opera seria, aber dass Oper überhaupt etwas sehr Bizarres, irgendwie auch komplett Wahnsinniges ist, darüber sollte man ab und zu nachdenken. Mir schwirrte der Kopf zwischen Moët und Mozart, als ich wie ein Zeitreisender auf meinen Platz zwischen Leuten fiel, denen das Geld aus den Knopflöchern tropfte. Dann begann das Orchester. Phantastisch.

Auf einmal hatte ich wieder Boden unter den Füßen. Diese Musiker waren im Saal die einzigen, von denen man wirklich sagen konnte, was genau sie taten und dass dieses Tun jeden Cent wert war, den sie bekamen. Mochten sie doch hier absahnen, dann konnten sie es sich leisten, anderswo preiswert aufzutreten! Umwegsubventionierung! In der Pause blickte ich voller Milde auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten. Wahrscheinlich bin ich zu musikalisch, um jemals Revolutionär zu werden, dachte ich, und holte mir ein Wasser für 2,90.