Die Umstände verwandeln den Menschen, das ist bekannt, aber gerade im Selbstversuch immer wieder eindrucksvoll zu erleben. Wir sind jetzt aufs Dorf gezogen, ein richtiges Dorf, fern jeder Metropole, ich habe da schon mal gelebt und einen Ruf zu verlieren. Denn tatsächlich hat man mich in sieben Jahren hier nicht vergessen, alle Nachbarn und Freunde sind noch da, und mit Sorge hatten sie zugesehen, wie an meinem Haus die Hecke wuchs. Abgesehen von den Brennesseln, den Disteln, dem Gras, den Rosen, die zu einem Wäldchen verwildert sind, und dem Wein, der aus der Laube eine Höhle machte.
Wie man den Rasen mäht, das wusste ich noch, ansonsten stand ich gerührt vor dem malerischen Wildwuchs und kümmerte mich erstmal um Regale und Umzugskartons im Haus. Bis ich von draußen ein penetrantes Geräusch hörte. Nachbar Tacitus rasierte seine Hecke. Sie bildet die Verlängerung von unserer und säumt seine Pferdeweide. Er kappte wie mit der Wasserwaage, die Hecke hätte jeder Westpointprüfung standgehalten. Ich mag es etwas unordentlicher, fand aber doch, dass unser Grün nun eher verwahrlost wirkte als malerisch.
Und dann gibt es ja eine Dorfgemeinschaft… Also gut, wie macht man das? Nachbar Corleone brachte seine elektrische Heckenschere und 50 Meter Kabel vorbei. Vom Standpunkt eines kreativakademischen Auchmalberliners aus gesehen, der ich für einige Jahre war, ist eine solche Heckenschere noch spießiger als Rasenmäher und Trimmer, außer natürlich in den Fäusten eines bekennenden Gartenmaniaks wie Corleone. Ich wog das Ding in den Händen. Allerhand. Er zeigte mir, wie man es macht. Er ging hart an die Hecke ran.
„Nicht gleich skelettieren“, flehte ich. „Sonst musst du im Herbst gleich noch mal ran“, beschied er. „Lass mich mal“, ich verpasste dem Buchenblattwall unter seinen skeptischen Blicken eine gewisse Rundung. Dann kam ich in Fahrt. Wir Kriegsdienstverweigerer haben ja alle ein Waffendefizit, und das rasselnde Scharfzahnding, beidhändig zu halten, fühlte sich an wie ein Rambogerät. Es war genauso effizient. Die Blätter, Äste, die dazwischen gewilderten Brombeerranken fielen widerstandslos ab. Das ist nicht spießig, dachte ich, fühlte Muskelreste am Oberarm und fräste mich in die Dorfgemeinschaft zurück.
Aber so einfach ist das nicht. „Die Abfälle“, sagte meine Mitbewohnerin, „du musst das noch aufharken und wegbringen!“ Hat je irgendwer Rambo etwas saubermachen sehen? Rohe Gewalt, prima, wir Pazifisten brauchen das ab und zu, aber Harke und Gartenabfallsack? So ordentlich wollte ich nun auch wieder nicht sein, das grenzt ja an Anpassung! Ich bin jetzt aber unbesorgt. Nach dem Saubermachen betrachtete ich mein Werk und sah eine üppige Hecke ohne eine einzige gerade Linie, über der hier und da Brombeerbüschel schwanken.
Gut gemeint, werden die Nachbarn sagen, im Herbst muss er wieder ran. Aber gern. Wer die Schere in der Hand hat, hat sie wenigstens nicht im Kopf.