Nur nicht auf Freunde hören

Der Crashkurs dauerte zwei Stunden und hieß „Gebrauchsanweisung für einen Mann“. Unsere Freundin war begeistert. Näheres wollte sie nicht erzählen, nur soviel: Es stimme alles, was der Coach da erzählt habe, sie bereue keinen Cent Kursgebühr, aber für sie und ihren Traummann sei das leider eine Woche zu spät gekommen. Dass alles stimmt, dachte ich, kann doch nur jemand feststellen, der es schon gewusst hat. Und wenn sie es schon wusste, warum handelte sie nicht schon eine Woche früher danach? Aber so einfach ist es nicht. Man weiß eben nicht, was man schon weiß.

Mit manchen Erwägungen wähnt sich ein Mensch so allein, dass er sie als Wahnideen verdächtigt, bis jemand anderes sie ausspricht. Das ist der Moment, in dem wir Michel de Montaigne oder Maria Montessori oder einem Coach mit Gebrauchsanweisung begeistert zurufen: Stimmt alles! Hätt´ ich das bloß vorige Woche schon gewusst oder vor drei Jahren! Dabei, wie gesagt, weiß man ja vieles, man glaubt es sich nur nicht. Honoré de Balzac ließ eine seiner Romanfiguren mit jenen Aktien spekulieren, die dann tatsächlich steil abgingen, während die, die er selber kaufte, abstürzten.

Hätte er mal auf sich gehört! Einmal habe ich selbst in Wertpapiere investiert, vor rund zwölf Jahren. Der Fonds, irgendwas mit Elektronik, befand sich im Sinkflug, befreundete Experten rieten: Kein fallendes Messer auffangen, nicht verkaufen! Ich tat es trotzdem, mir fehlte die coole Souveränität der Geldjongleure, und darum kam ich gerade so mit dem Einsatz davon, während der Fond ungebremst am Boden aufschlug und in Flammen aufging. Kurz, es gibt auch Ratschläge, die man eher NICHT beherzigen sollte, und das sind die kluger und wohlmeinender Freunde.

Was nicht heißt, dass man sie nicht fragen sollte! Rückblickend fand ich heraus, dass ich in genau den Situationen, in denen ich Freunde um Rat fragte, immer genau das Gegenteil des von ihnen Nahegelegten tat. So, als hätte ich ihren Rat nur gebraucht, um herauszufinden, was ich schon beschlossen hatte, wider alle Vernunft. Aber, wie Montaigne sagt: „Der Erfolg läßt oft ganz törichtes Verhalten berechtigt erscheinen.“ Hingegen bereue ich einige Entscheidungen, die ich komplett unberatschlagt traf. „Hinterher ist man schlauer“, sagt dazu der so genannte Volksmund. Schön wär´s. Die Japaner haben gerade eine Regierung gewählt, die knapp zwei Jahre nach dem Super-GAU den Atomausstieg rückgängig machen will. Und Berlusconi hat schon wieder Chancen…

Unsere Freundin jedenfalls wollte einen Rat. Sollte sie zu einer Party gehen, auf die sie sich freute, zu der aber auch ihr frischer „Ex“ erscheinen würde? „Erst recht“, sagte ich spontan, „du musst dich nicht verstecken!“ An ihrer Stelle würde ich, aus eigener Erfahrung, diesem Rat nicht folgen. Alle Kreter lügen, sagte der Kreter… Da hilft uns wohl nur noch der Weltweise Robert Gernhardt: „So geht das nicht und anders schon gar nicht.“