Wrooomm! Wir fahren nach Hannover

Was ist denn das für eine Schlaftablette?!“ Vor mir kroch ein Ferrari durch Gehrden. Mit 35 Stundenkilometern. So ist Gehrden. Gerade jetzt hatte ich nicht die Zeit, mich auf das Tempo des Städtchens einzulassen. „Warum sagst du Schlaftablette“?“ erkundigte sich Frido interessiert von hinten. „Weil ich euch rechtzeitig bei Oma und Opa abliefern will, damit ich meinen Zug kriege, und… das darf doch nicht wahr sein! Soll ich dich über die Kreuzung tragen?… Ahhh!“ „Warum sagst du ahhh?“ „Weil dieser Schwa… dieses Auto vor uns endlich abgebogen ist.“ Ich ließ Emmas Triebwerke aufheulen und überwand die extreme Gehrdener Gravitation. Wrooommm…

Paul schrie. „Gibst du ihm was von den Mangos ab?“ „Das sind meine.“ „Ich weiß, aber er schreit sonst die ganze Zeit.“ Wenig später hörte ich Paul zufrieden schmatzen. „Danke“, sagte ich, über den Schnellweg schießend, „was soll DAS denn?“ „Ist das ein Stau?“ fragte Frido. „Ja. Ich verstehe nicht, warum die Leute immer gleichzeitig mit der Arbeit fertig sind. Und warum sie freitags bloß bis zwei arbeiten. Mist.“ „Wieso ist das Mist?“ „Weil…ah, na bitte. Nein, da ist schon der nächste. Hallo, Hallo! Nun bewegt euch doch mal!“ „Warum fahren die Autos nicht, wenn grün ist?“ fragte Frido.

„Sie können nicht alle gleichzeitig losfahren“, sagte ich. „Zuerst fährt der erste, dann hat der zweite Platz und fährt auch. Wenn der letzte dran ist, ist wieder Rot. So wie jetzt.“ Ich bremste. Paul verlangte Nachschub. „Gibst du ihm noch was von der Mango?“ „Paul kaut aber noch.“ „Egal. Gib ihm trotzdem was.“ Grün. „Was machst DU denn da!“ herrschte ich ein Auto an, das einen Spurwechsel in Zeitlupe vollführte. „Er kann dich nicht hören“, merkte Frido an. „Genau. Sonst würde ich auch nicht so schimpfen. Das machen viele Autofahrer so. Es ist völlig idiotisch, man wird davon nicht schneller … Nein, NICHT bremsen! Müssen die denn alle Auto fahren?“

Ich ließ Emma an ein paar Schlaftabletten vorbeihuschen und erklärte weiter: „Ich würde auch nicht schimpfen, wenn ich die Leute kennen würde. Wenn im Auto vor uns Lena säße oder der Vater von Friedrich, würde ich nicht sowas Fieses sagen… Also was soll das denn werden? Eine Stadtbesichtigung?“ Rathaus, fünf vor drei, jetzt noch bis Lister Platz, Parkplatz suchen, Übergabe, U-Bahn, ICE um 15.31, wie sollte das gehen? „Na sowas!“ „Warum sagst du na sowas?“ „Weil diese Ampel sonst nie grün ist!“ Emma tänzelte auf zwei rauchenden Reifen um den Emmichplatz und fuhr die Flügel aus.

Paul beschwerte sich. „Seine Mango ist runtergefallen“, sagte Frido. Die Bödekerstraße glitt als liquides Streifenmuster vorbei. Hyperraumsprung auf einen Parkplatz direkt vorm Haus. „Paul weiß gar nicht, dass wir gefahren sind“, behauptete sein Bruder, als wir ausstiegen. „Er denkt, Emma steht, und draußen bewegt sich etwas!“ Wenn das so wäre, spräche es ja für meine besonnene Fahrweise. Der Jüngste bilanzierte den Trip mit seinem Lieblingswort: „So!“

Der Text erschien am 27.4.13 in der HAZ und ist urheberrechtlich geschützt