So schön kann Mainstream sein

Irgendwie machen Kinder einen auch konservativ. Schon vor drei Jahren war ich in London seltsam angerührt von den Schuluniformen, in denen ich dort Jungs herumlaufen sah. Ich stellte mir gleich Frido (der erst zwei war) in so einer vor und war neidisch auf die Briten. Und das als geübter Pazifist, dem bei Uniform sonst schnell Konformismus und Krieg einfällt – ungeachtet dessen, dass mein Konzertfrack ein Lakaienornat ist, in dem ich gern auftrete, und dass ich schwer verunsichert wäre, täten Schaffner und Stewards, Polizisten und Feuerwehrleute in Individualklamotten ihren Dienst.

Aber Schuluniformen müssen wirklich nicht sein, dachte ich bis zu jenem Tag in London, der mir jetzt wieder einfällt, weil Frido – nun ja, man kann es nicht gerade eine Uniform nennen, aber ein Kollektivtextil ist der Pulli mit dem Kinderhaus-Emblem schon, und die passende Basecap – sehr stolz auf diese Neuerwerbung ist. Nicht auszudenken, wir hätten sie ihm verweigert! Es ist ja auch eine ungedrillte Gruppe und keine Truppe, mit der er da unterwegs ist, eben jene Kinder, die auch sein Pippi-Langstrumpf-Kostüm im Fasching bewunderten und nicht im entferntesten darauf kamen, ihn zu hänseln.

Aber den Emblempulli trägt er mittlerweile fast täglich, mich freut sein Stolz darauf, ich fühle mich den Briten näher und muss meine nonkonformistische Grundeinstellung scharf befragen: Ist es nicht ganz nett – und nicht zwangsläufig regressiv – , irgendwo so dazuzugehören, dass es jeder sehen kann? Und entspreche ich nicht auch ohne Uniform (für die ich die monotonen Anzüge von Bürohengsten und Bankern halte) längst den konservativen Leitlinien für deutsche Familienväter? Verheiratet, Eigenheim, silbergraues Familienauto, schwere Aversion gegen Kontakt mit Bügeleisen und Staubsauger?

Allerdings leben wir als Freischaffende so riskant, dass ein bisschen Normalität schon rein therapeutisch sinnvoll ist. Das hat Frido scharf erkannt, als er das Fehlen eines Grills bemängelte. Die Nachbarn hatten ihren schon aktiviert! Der Nachbarssohn hat auch eine große elektrische Legobahn und ein Fernlenkauto und eine Schaukel, das hat Frido alles nicht. Und das kompensiert er so gut, dass ich beschloss, wenigstens seinen Vorschlag mit dem Grill sofort umzusetzen. Was keine Überwindung kostet, wenn man Bier und Bratwurst an einem warmen Aprilabend sowieso für den Sinn des Lebens hält.

Frido – natürlich mit Emblempulli und Schirmmütze! – suchte das Gerät im Baumarkt mit aus und half mir im Garten, es zusammenzubauen. 51 Schrauben und 90 Minuten brauchten wir und waren sowas von mainstreamig – zwei Männer bauen einen Grill zusammen, und der funktioniert auch noch! Mjam! Vielleicht kann niemand die Erfüllung eines Klischees so genießen wie einer, den ein Kind vom Überbau der Skepsis befreit hat. Jetzt könnte ich noch lernen, wie man Bundesliga guckt, vorher den Wagen waschen und anschließend der Freiwilligen Feuerwehr beitreten. Aber man soll es nicht übertreiben.

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