6. Juni 2014

> “Wieviel Meinungsfreiheit darf es beim WDR sein?”, fragt auf seiner Website der Journalist und Theologe Christoph Fleischmann aus gegebenem Anlass. “Die Geschichte ist schnell erzählt: Christine Lemke-Matwey, freie Moderatorin bei WDR 3, hat in einem Text für DIE ZEIT beklagt, dass die klassische Musik immer mehr ins Abseits gerate innerhalb der ARD-Sender; verantwortlich machte sie dafür in erster Linie die generationenspezifische Sozialisation der gegenwärtigen Führungsriege innerhalb der ARD, die von den 68ern ein “militantes Desinteresse an der Hochkultur” geerbt habe. Mit Mozart sei kein Staat mehr zu machen, nur noch mit Bob Dylan. Als Reaktion darauf haben, so wird berichtet, der WDR 3-Wellenchef und der Kulturchef die Zusammenarbeit mit Lemke-Matwey wegen Illoyalität aufgekündigt.” Sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch die Neue Musikzeitung haben den Fall aufgegriffen, Fleischmann hat den WDR deutlich kritisiert: Es passe “nicht in eine neuzeitliche Demokratie, Kritik mit Illoyalität gleichzusetzen – und aus diesem Grund Kritik verbieten zu wollen; bzw. mit dem Verlust von Aufträgen zu bestrafen.” Da ich mir den Casus nicht treffender kommentiert denken kann, als Fleischmann es tat, empfehle ich die vollständige Lektüre hier.

Einem stockdunklen Kapitel der Musik widmete sich “128″, das Magazin der Berliner Philharmoniker (ich verwies darauf schon mal am 6. März 2014) in seiner Märzausgabe mit dem Schwerpunkt “Geraubte Musik”. In einem der Beiträge ging ich den Folgen nach, die die Repressionen unter Hitler und Stalin für viele Komponisten und ihre Werke hatten, von Schreker bis Weinberg, aber auch von Mendelssohn bis Schumann. Die Geschichte “Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen” nebst sechs Nahaufnahmen ist jetzt auch hier zu lesen. Derweil liegt schon das zweite “128″ des Jahres vor, für das ich Erfreuliches da entdeckt habe, wo es keiner sucht: bei den Musikfälschern. “Wunderschöne falsche Noten” heißt der Essay, in dem durchtriebene Prominenz von Fritz Kreisler bis Gustav Leonhardt ebenso gewürdigt wird wie der Münsteraner Blockflötist, der mit sechs gefälschten Haydn-Sonaten größte Koryphäen hereinlegte – und von Beltracchis Millionen nur träumen kann.