Ewig währt die große Pause

Da sind sie wieder, die zwei Männer. Reglos im Schatten hinter der Windschutzscheibe. Es ist immer ein Lieferwagen mit Firmenaufschrift. Man geht dran vorbei, man sieht nicht hinein. Man weiß auch so, dass sie Blaumann tragen, die Brustlatzhose der deutschen Handwerker. Es ist, als seien es immer dieselben zwei Männer, seit Jahrzehnten schon. Als hätten sie schon zum Inventar der 1960er gehört, mit sämtlichen Requisiten nebst Bildzeitung, die immer der auf dem Fahrersitz liest, das Blatt übers Lenkrad gebreitet.

Ich spreche nicht von Geheimdiensten. Diese Männer sind das, wonach sie aussehen: Deutsche Handwerker bei einer ihrer zahlreichen Pausen. Damit mich nun nicht der lange Arm einer ihrer Innungen in den Würgegriff nimmt: Ich habe keinen Zweifel daran, dass es exzellente deutsche Handwerker gibt. Der Mann, der meine Viola gebaut hat, ist einer von ihnen. Ich habe ihn aber noch nie bei einer Pause überrascht, geschweige denn mit dem, was morgens gern mit dem steinalten Spruch „Einmal die Bildung bidde“ gekauft wird.

Es war ein holländischer Handwerker, der neulich feststellte, dass ein deutscher Kollege vor zwei Jahren einen schrottreifen Glühzünder in meine Heizung geschraubt hat. Es waren polnische Handwerker, die ohne erkennbare Pause ein neues Zimmer ins Haus einbauten zu einem Preis, für den deutsche Handwerker …Schluss mit der Gehässigkeit! Unsere Autowerkstatt (deutsch) ist klasse, unser Nachbar ist selbst im Ruhestand ein Elektriker, von dem man wünscht, ihm obläge die Ausbildung sämtlicher norddeutscher Verdrahter.

Nur eben diese Pausenmacher machen mich stutzig. Wie kommt es, dass der Lieferwagen am Straßenrand mit Handwerkern und Zeitung zum zähesten, bereits ikonischen Bestand der Bundesrepublik gehört? Dass man sich nie Fragen über sie stellt und über die auffallende Frequenz ihrer Erholungsphasen? Dass man nicht in die die Führerhäuschen dieser Wagen zu blicken wagt, aus denen sie ihrerseits ja auch nie herausblicken, diese tüchtigen Männer? Denn es sind immer Männer, nur im Handwerk noch so dominant, außer im Vatikan.

Vielleicht ist es das Verdruckste, das einem so typisch deutsch vorkommt. Sie müssten ja nicht da drinnen Pause machen, bei geschlossenen Türen, und sie könnten doch wenigstens „Mens´ Health“ lesen. Aber nein, es muss die Büld sein. Immer. Und immer strahlen sie so einen dumpfen Trotz aus, als würde mit der Scheibe auch ein verbrieftes Recht gegen jegliches Mißtrauen hochgekurbelt. Vielleicht würden sie alle gern anders pausieren, kommen da aber irgendwie nicht raus, weil jeder deutsche Meister es so lehrt, seit es Lieferwagen gibt?

Es bleibt ein Geheimnis. Wenn man die Omnipräsenz dieser Entschleuniger hochrechnete, käme man zu dem Schluss, dass in diesem Land keine Baustelle jemals fertigwerden kann. Vielleicht sind sie ja doch alle vom Geheimdienst? Dann würde ich mir wünschen, eine Kette ihrer Tarnwagen möge die Baustelle an der B 209 lahmlegen. Da ist immer Stau. Da wird dauernd gearbeitet. Leider.

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