Die tröstlichen kleinen Halunken

Ein bisschen erinnert der Fall des Kunstberaters Helge Achenbach an den des Bischofs Tebartz-van Elst. Tiefe Fälle, öffentliche Abstürze, aus lichten Höhen der Schönheit. Der Bischof hatte eigenmächtig 31 Millionen aus der Kirchenkasse geholt für eine Architektur, an deren Erlesenheit kein Fachmann Zweifel hegt. Er wurde medial wie eine Sau durchs Dorf getrieben, als hätte er uns allen tief in die Tasche gegriffen. So ähnlich ist es auch bei Achenbach.

Um 22 Millionen Euro soll er allein Berthold Albrecht, einen Aldi-Erben, betrogen haben bei der Beschaffung hochwertiger Autos und noch hochwertigerer Kunst. Auch wenn der mutmaßliche Schaden wohl eher einem Bruchteil jener Erbschaftssteuern entspricht, die den Aldi-Erben durch geschickte Stiftungskonstruktionen erspart bleiben: Betrug ist Betrug, dafür steht Achenbach nun in Essen vor Gericht. Andere hingehen nicht.

Georg Funke zum Beispiel kann auf Mallorca noch getrost Immobilien makeln, obwohl ein Münchener Gericht davon ausgeht, dass er Anleger getäuscht hat, vor sechs, sieben Jahren. Damals war er Chef der Bank Hypo Real Estate, die vom Bund mit 100 Milliarden Euro gerettet werden musste und deren Anleger sich durch Funke getäuscht sehen. Wie berichtet, sollen sie nun mit mindestens einer halben Milliarde, ebenfalls aus Steuergeldern, entschädigt werden.

Alles irre kompliziert und finanziell vom Laien kaum noch fassbar, viel komplizierter als die Sachen mit dem Bischof und dem Kunstberater. Die beiden sind uns eigentlich recht nahe. Die Summen, um die es da geht, kann auch der Häuslebauer gerade noch überblicken. Dass der eine ein hohes Amt mißbraucht, der andere das Vertrauen eines reichen Mannes, macht sie als Personen zwar nicht sympathisch, aber greifbar. Und darum attraktiv für den Pranger.

An dem werden die meisten der deutschen Steuerhinterzieher, die jährlich 50 Milliarden den öffentlichen Kassen vorenthalten, niemals landen. Und auch kein Funktionär eines jener rund 340 Unternehmen, die über Luxemburger Umwege Milliarden an Steuern vermieden, wie es jüngst das „International Consortium of Investigative Journalists“ aufdeckte. E.ON zahlte für 130 Millionen Einnahmen nicht mal 1600 Euro dem Fiskus. Alles irgendwie legal, alles viel zu kompliziert.

Seien wir also froh, dass wir nun wieder einen kleinen Halunken haben, den schillernden Achenbach, der sein Ummogeln von Dollars in Euro kunstnah als „Collage“ bezeichnet und dem vor Gericht die Tränen so übers Gesicht liefen, dass sie in manchen Zeitungen geradezu Pfützen bildeten. In denen mögen sich nun die Betrachter spiegeln und in Achenbachs Ohnmacht die eigene erkennen.

Dieser Text erschien am 17.12.2014 in der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung” und ist urheberrechtlich geschützt