Uff! Bis Mitternacht haben wir noch Luftballons in der Küche aufgehängt, nicht irgendwelche Ballons, sondern solche mit einer schönen dicken Sechs darauf. Das dauerte. Denn als alle sechs Sechser hingen, stellten wir fest, dass fünf mal die Neun darauf prangte. Logisch, wenn die Ballons mit dem Knoten nach oben hängen, man aber versehentlich auch einen Neuner gekauft hat, der nun zum einzig richtigen Sechser wird. „Das können wir Frido doch erklären, morgen früh“, meinte seine Mama erschöpft. „Sechsjährige Jungs sind pingelig“, sagte ich, der selber mal einer gewesen war, „besonders am Geburtstag.“
Also nahm ich fünf Ballons wieder ab, drehte sie um und befestigte die Schnur statt am Knoten mit Klebeband an der glatten Seite, während Fridos Mama die Geschenke einpackte, das Ergänzungspaket zur Murmelbahn, das einzige „Findus“-Buch, das Frido noch nicht besitzt, das Stiftemäppchen für die Schule… Oh, die Schule! Wegen der Schule will er gar nicht sechs werden, hat er bekundet. „Aber du kannst da lesen lernen!“ „Will ich nicht!“ Und das von einem, der seit drei Jahren seinen Namen schreiben kann und das Alphabet kennt. „Wieso denn nicht?“ „Ich will immer fünf bleiben!“
Vor allem will er im Kinderhaus bleiben. Er hasst Veränderungen, er, der beinah in Wuppertal und dann doch in Berlin zur Welt kam, von da mit zwei Jahren mit uns in die Nähe von Hannover zog, dort von der Geburt seines Bruders überrascht wurde, mit vier Jahren schon wieder umzog, mit Eltern, die sowieso viel reisen – ich kann verstehen, dass er am Kinderhaus festhält, auch wenn die Schule gar nicht weit davon entfernt ist. Aber je näher der sechste Geburtstag rückte, desto mehr hat er sich eben doch auf den Geburtstag gefreut, und er ist an dem Morgen vor uns wach. „Gibt´s auch einen Geburtstagstisch?“
„Aber ja! Warte noch!“ Erstmal wird im großen Bett gesungen und Kuchen gegessen, inzwischen ist auch Paul gekommen. „Kann ich jetzt in die Küche?“ Dort werden die Geschenke in Windeseile enthüllt. Das Mäppchen gefällt ihm, auch wenn er sofort stirnrunzelnd erkennt: „Das ist für die Schule.“ Das klingt immer noch, als solle er im Herbst auf die Galeere geschickt werden. Das Ergänzungspaket zur Murmelbahn findet ebenfalls Gnade, da es ein Trampolin für Murmeln enthält, der neue „Findus“ wird rasch durchblättert und dann großmütig Paul überlassen, und… Frido blickt suchend umher.
Kein Lego? Er sagt es nicht, aber wir wissen es. Er konnte doch nicht schon wieder Lego kriegen, vier Wochen nach Weihnachten! Seine Mama lenkt ab. „Hast du schon mal nach oben geguckt?“ „Ballons.“ „Ja, und zwar…“, sage ich stolz, „…mit einer Sechs“, sagt er, als sei das selbstverständlich. Ist es ja auch. Was erwarten wir denn? Was soll er sagen? „Das hätte ich nie gedacht, dass ihr es schafft, sechs Ballons richtig herum aufzuhängen, prima!“? Nicht nur auf den Eltern sechsjähriger Geburtstagskinder lasten hohe Erwartungen, auch auf den Geburtstagskindern selbst. Kein Lob wiegt schwerer als das ihre.
Und das von Weihnachten wird noch lange halten. Da baute Frido fünf Stunden lang seine neue Feuerwehrstation aus Lego zusammen, und zwischendurch, als ich mal nachschaute, sagte er ganz feierlich: „Ich finde es toll, dass ihr mir meinen größten Wunsch erfüllt habt. Was hat das eigentlich gekostet?“
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