13. März 2015

> Ein paar Neuveröffentlichungen haben sich angesammelt. In der aktuellen ZEIT zuvörderst “Silbermanns Reise” im Ressort Geschichte, zwei luxuriös layoutete Seiten über das Tagebuch, das Orgelbauer Johann Andreas Silbermann anno 1741 auf seiner Reise von Straßburg ins Land seines Vaters und seines berühmten Onkels Gottfried, des sächsischen Orgelbauers, schrieb – es ist auch eine Erkundung deutschen Alltags jener Zeit mit fast ethnologischem Blick auf Pelzkappen, Straßenlaternen und den gleichaltrigen Preußenkönig, mit einem kleinen Flirt in Dresden… Im November 2014 wurde der 300-Seiten-Band für die Unibibliothek in Dresden ersteigert, die ihn so rasant digitalisiert wie exzellent online gestellt hat. Fürs Feuilleton habe ich das neue Klassikmagazin VAN vorgestellt – ein Online-App-Abenteuer, in dem man Sartres Gedanken Klavier spielen hören kann und überhaupt etwas über liberté lernt. In der Musikbeilage der ZEIT werden die Geiger Vilde Frang und Frank Peter Zimmermann beim Treffen mit Mozart beobachtet. Der steht auf der Weltrangliste der meistgespielten Komponisten auf Platz 1, während die erste Frau dort – jedenfalls in der veranstaltergestützten Statistik von bachtrack.com - erst auf Platz 132 auftaucht.

Nicht nur das war fürs Magazin 128 der Berliner Philharmoniker ein Grund, die Frage nach den “Frauen in der Klassik” zu stellen. Sie erwies sich als erstaunlich unverstaubt. Meine These, die zeitgenössischen Komponistinnen hätten das Geschlechtergewürge hinter sich, musste ich bei den Recherchen für “Raus aus dem Exil!” leider kippen. Und in exzellenten Grafiken können nun auch die Berliner Philharmoniker selbst feststellen, wie tief sie noch im 20. Jahrhundert stecken: Neben 109 Männern spielen 19 Frauen. Absolut paritätisch geht es dagegen nur im Freiburger Barockorchester zu: 13 und 13! Mindestens so wünsche ich mir auch die Spielpläne deutscher Orchester, was das Verhältnis zwischen “Kanon” und Unvertrautem angeht. Das Beharrungsvermögen gerade der Bestbezahlten lässt sie hinter der Neugier des Publikums, der Menge verdrängter Genietaten und deren Entdeckbarkeit via Internet zurückbleiben – mehr dazu auf ZEIT online, nebst 53 Kommentaren. Ja, und die Frau auf Platz 132? Die weiß schon lange: “Unsere Zivilisation ist ermüdend.”