It was 330 years ago today

Für Musiker ist der 21. März grundsätzlich nicht nur Frühjahrsbeginn, sondern auch Bachs Geburtstag. Wobei er Gedenktage ja schon lange nicht mehr nötig hat, ob mit oder ohne Null am Ende. Auch wer noch die weiteren fünf bis sieben bedeutenden Komponisten der Familie kennt und schätzt, meint mit dem „großen Bach“ JSB und nicht, wie etwa Mozart, seine Söhne Carl Philipp oder Johann Christian. Man könnte also befürchten, „Sankt Bach“ (Mauricio Kagel, 1985) werfe mittlerweile einen schon etwas erstickenden Schatten.

Im Gegenteil. Das war vielleicht noch zum 300. Geburtstag so, aber heute stehen seine Zeitgenossen so gut im Licht wie seit ihren Lebzeiten nicht, von Händel ganz abgesehen, der anders als Bach nie aus der Öffentlichkeit der Nachwelt verschwand. Selbst kleinere Chöre wagen sich heute an die bizarre Genialität des Dresdners Jan Dismas Zelenka, an die suggestiven Tableaus des Darmstädters Christoph Graupner (dem sein Fürst verbot, die Stelle anzunehmen, die dann Bach bekam, an einer Kirche in Leipzig…).

Mehr und mehr begreift man, dass dieser Komponist nicht von dem Himmel fiel, dem er uns oft nahe bringt, sondern ein Kind seiner Zeit war, die immer interessanter für uns wird. Auf der Musik von Bach (und, ja, Händel!) ruht nicht mehr die Erwartung einer begrenzt informierten Nachwelt, die komplette erste Hälfte des 18. Jahrhunderts repräsentieren zu sollen. Womit der Thüringer rein operntechnisch sowieso komplett überfordert wäre. Das übernehmen gern die Italiener, denen Bach kreative Schocks ohnegleichen verdankt.

Bach zum Dreihundertdreißigsten zu gratulieren, heißt auch, seinen Kollegen zu gratulieren, die durch die fulminante Wiederentdeckung des Barock, die ohne ihn anders verlaufen wäre, neue Fans gewannen. Und die europäische Musik als großartiges kollektives Projekt wahrzunehmen, als Familienangelegenheit im großen Stil. So hat er sie ja auch kennengelernt, als Sohn, Bruder, Neffe, Enkel von Musikern. À propos: Sein Uronkel Heinrich, der Arnstädter Organist, feiert im September seinen Vierhundertsten! Da wird die nächste Runde fällig…

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