Eigentlich weiß man ja, wie es geht. Für die Ferien nicht einfach ein Hotel buchen, schon gar nicht für mehrere Tage, ohne mit Google Earth mal ganz nah ranzugehen, es sei denn, man kennt es. Das erste Hotel kannte ich. Eine palastartige Villa am Comer See, an den Gartenterrassen herunterführen, bis zu einer Mauer mit einem alten Tor, hinter dessen Stäben das Wasser schwappt, während ein Oleanderbaum Schatten spendet. So war es einst, so ist es immer noch, nur dass ein Renaissancesaal fürs Frühstück restauriert wurde.
Das zweite Hotel kannte ich nicht. Wir hatten es auf den letzten Drücker im Netz gefunden, es sah nett aus, alt und gelb im Grünen oberhalb desselben Sees, halb so teuer. Nun ja. Oberhalb des Sees bedeutet, dass man vom Ufer 40 Minuten lang steil in ein Alpental hochkurvt, auf immer schmaleren Straßen durch grüne Wiesen, an denen nur Baracken stehen. Irgendwann wird die Straße einspurig, ohne Randstreifen, dann erheben sich links und rechts zwei verfallene Säulen mit verfallenen Löwen, danach wird der Weg sogar noch schmaler.
Paul schlief, Frido fand es spannend, ihre Mama war am Steuer blaß geworden und erwähnte das Desaster von 2009. Diesmal war freilich nicht mit einer Lage zwischen Autobahn und Eisenbahn und Wespennestern zu rechnen, nur mit totaler Abgeschnittenheit in einem Kranz von Alpenhöhen. Ein hagridartiger Gärtner kam uns entgegen, mit Riesentrimmer und Schutzmaske. Als nächsten sahen wir einen dösenden Mann im Liegestuhl im hohen Gras vor einem tatsächlich alten, gelben, schmalen und seit 1970 nicht renovierten Bau.
Das Hotel lag fabelhaft an sanften Hängen mit uralten Eichen in alpiner Totenstille unter der Sonne. Außer dem dösenden Mann waren wir die einzigen Gäste einer melancholisch lächelnden jungen Frau, die hier mitsamt ihrer Tochter irgendwann gestrandet war. Alles, Hotel und Menschen und Interieur, hätte man sofort in einen Alpenpsychokrimi übernehmen können, der hätte sich hier in drei Tagen von selbst geschrieben, vielleicht hatte er bereits begonnen. Es fühlte sich so an. Paul schlief noch immer im Auto. Frido fand es toll.
Wir hätten sogar Seeblick gehabt, auf einen winzig kleinen Auschnitt, aber nur im Winter, jetzt begrenzten Baumblätter den Blick aus dem Zimmer, auf dessen rohen Putz eine Bretterimitation gemalt war. Und zu essen gab es nichts. Der Mann im Liegestuhl döste immer noch, als wir das Gelände wieder verließen, um eine Stornogebühr ärmer. Und nun? Wohin mit uns und zwei müden Knaben? Für drei Tage? Nach kurzer Suche erschien auf dem Display des Smartphone ein geräumiges Ferienhaus, das ab jetzt für drei Tage frei war.
„Wo?“ „Ganz nah am See“, sagte sie. „Schweineteuer, oder?“ „Nein. Genau so viel wie da oben.“ Es gehörte einer Dame, die sofort eine Putzkolonne losschickte und uns auf ihre Kosten in einer Bar am Ufer warten ließ, bis alles fertig war. Als ich im Laden des Dorfs einen Weißwein kaufte, nahm mir der Besitzer die Flasche aus der Hand, holte eine gut gekühlte dafür, und den Kaffee gab es geschenkt, frisch aus der Mühle, genug Pulver für drei Tage. Einfach so. Ich bin ein aufgeklärter Mensch. An diesem Abend dankte ich den Göttern.
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