Mehr als nur ein Großonkel

Er muss ein heiterer Mensch gewesen sein, was zu seiner Zeit keine verbreitete Gemütsverfassung war. Der Krieg, zu dem schon bei seiner Taufe am 16. September 1615 aufgerüstet worden war, währte dreißig Jahre und traf mit Belagerungen, Gewaltexzessen, Seuchen jeden der Orte, an denen sich Heinrich Bach aufhielt. Ein Wunder schon, dass er als Knabe, da Thüringen Durchmarschgebiet geworden war, vom heimischen Wechmar aus meilenweit wanderte, um Orgeln zu hören. Er liebte dieses Instrument, und an einer Orgel spielte er nahezu ein halbes Jahrhundert lang, in der Oberkirche zu Arnstadt.

Schlecht bezahlte Organisten wie ihn gab es viele. An diesen einen ist zu seinem 400. Geburtstag auch nicht bloß deshalb zu erinnern, weil Heinrich Bach sensationell alt wurde – etwa einer von hundert Menschen erreichte wie er das 77. Lebensjahr. Sondern weil er, selbst noch Enkel eines zugewanderten Bäckermeisters, zwei seiner Söhne zu bedeutenden Komponisten werden ließ. Johann Christoph und Johann Michael Bach bekamen ihre handwerkliche Basis, als Organisten und als Tonsetzer, bei Heinrich, der selbst für nahezu jedes Genre komponierte, “viel Creutz contrapuncten und Chromatische Tone”.

So weiß es die Leichenrede, während die vier erhaltenen Stücke auf eine eher moderate Fortschreibung italienischer Modelle verweisen und auf die Kenntnis großer Zeitgenossen wie Heinrich Schütz. Mehr erfahren wir über Heinrich durch das, was er schätzte und kopierte – zwei Motetten seines Ältesten wären ohne ihn verloren. Die tiefe Expressivität des Eisenachers Johann Christoph, die leuchtende Balance des Gehreners Johann Michael tragen in sich auch existenzielle Erfahrungen der Generation davor, und ohne diese Musik wäre wiederum der ein anderer geworden, den Heinrich noch als Kind sah.

Johann Sebastian, Enkel des Christoph, des früh gestorbenen Bruders von Heinrich, hatte da nichts zu “vollenden”. Er konnte in eine neue Zeit gehen auf einer gewaltigen Basis, als deren ruhige Mitte wir uns Heinrich Bach denken dürfen. Dessen “sehr volckreiche Leichbestattung” am 12. Juli 1692 in Arnstadt war ein Ereignis. Man feierte sein hohes Alter, seine “Gemüthszufriedenheit” und “hertzdringende Organistenkunst”, man feierte den ganzen Clan, dessen Berufsmusiker überall in Thüringen den Ton angaben. Und unter Heinrichs 28 Enkeln war bereits Anna Barbara, spätere erste Frau des JSB.

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt