Problembär mit Laterne

Grillen? Draußen, im November? Fröstelnd im Halblicht der bunten Lämpchen, die noch vom Sommerfest am Pavillon hängen? Oh, man macht noch ganz andere Sachen, wenn ein Kind fünf Jahre alt wird. Man wird zum Hütehund, verbrennt sich die Finger, an denen Klebstoff trocknet, man mahnt und tröstet und lobt, und am Ende des Festes sind die Eltern so fix und fertig, als hätten sie einen Nationalfeiertag mit Staatsbesuch und Truppenparade, Volksbelustigung und Terrorwarnung ganz allein organisiert und durchgezogen.

Etwas in der Größenordung hatte Paul wohl auch vorgeschwebt. Größte Mühe hatte er auf zwölf handgemalte Einladungen verwendet und kurz vor dem Termin noch weiteren Kindern erklärt, sie seien eingeladen: „Sia preparato tutto a una gran festa“, würde Don Giovanni sagen. Die daraus sich ergebenden diplomatischen Verwicklungen hatten sich gerade noch lösen lassen. Am Ende waren es elf Gäste, Pauls großen Bruder Frido mitgezählt, der beim Auspacken der Geschenke den Eindruck gewann, „dass Paul öfters Geburtstag hat als ich.“

Die Zahl der Gäste und ihrer Geschenke ließ bei Paul alle Sicherungen durchbrennen. Er warf mit Geschenkpapier, reichte Präsente weiter mit dem Hinweis „brauche ich nicht“, randalierte am Kuchentisch und wurde schnell vom Jubilar zum Problembären des Tages. Was bewirkte, dass Frido sich besann und sich vom Neidhammel zum umsichtigen Gruppentherapeuten verwandelte, während ich immer unduldsamer wurde. „Wie soll das denn gehen“, zischte ich vor mich hin, „Laternenbasteln UND Würstchenbraten?!?“

Da hatte ich schon den Versuch hinter mir, in Unkenntnis der Spielregeln mit allen Fußball zu spielen. Auf dem Rückweg in der Dämmerung, beladen von Verantwortung für Kinder aus acht Familien und den entsicherten Paul aus dem Straßengraben ziehend, kam ich mir beim unablässigen Durchzählen vor wie der Hund Bitzer mit seiner anarchischen Schafherde und hätte gern seine Trillerpfeife gehabt. Dann kam das Laternenbasteln, eine schöne Idee, von Pauls Mama als Alternative zur kindergeburtstagsüblichen Schatzsuche konzipiert.

Um mit elf Kindern elf Laternen aus Pappe und buntem Pergamentpapier zusammenzukleben und sie mit Teilen von Metallkleiderbügeln an zuvor geschnittenen Weidenästen aus eigenem Anbau zu befestigen, braucht man deutlich mehr als eine halbe Stunde. So sprang ich hin und her zwischen Grill und Küche, um die Würstchen zu wenden und einer Frau und elf Kindern beim Kleben zu assistieren. Zehn Kindern, besser gesagt, denn Paul wollte nicht und zog mit seiner nagelneuen LED- Taschenlampe um das Haus herum.

Irgendwann stand ich nur noch draußen und betreute Würstchen und entzündete die Teelichter in den ersten Laternen, die herausgetragen wurden. Am Ende hatte ich eine Brandblase, vierzig Würstchen fertig und dreißig Lichter entzündet; es geht ja immer mal eins aus. Paul legte seinen LED-Strahler weg und gesellte sich zur Schar der Glühwürmchen im dunklen Garten. Und da gab es dann den magischen Moment, der Atlas für das Gewicht des Himmels entschädigt, den er tragen muss – nämlich den Anblick des Himmels selbst.

Elf bunte Leuchten nebeneinander, die ebensoviele Kindergesichter matt beschienen, das war zum Niederknien. Als ich rief, „die Würstchen sind fertig“, gab es kein „das mag ich nicht“, nur Jubel. Die Glühwürmchen stürmten in die Küche, die Würstchen waren so schnell weg, dass ich mit der zweiten Ladung gerade noch rechtzeitig kam, und dann nahten schon die ersten Eltern zum Abholen. „Jetzt macht ihr bestimmt drei Kreuze“, sagten sie.

„Och nö“, behauptete ich. „Das war pure Harmonie. Bis auf unseren Problembären. Wollt ihr einen Prosecco?“ Als alle weg und zwei Flaschen Prosecco fast geleert waren, weinte Paul. „Mein Geburtstag war gar nicht schön“, klagte er. Er habe sich alles ganz anders vorgestellt, und außerdem hätten seine Gäste auch über Nacht bleiben sollen. „Oh je“, sagte ich bloß, streichelte seinen heißen, müden Kopf und trank den Rest Prosecco auf ex.

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