3. November 2016

> „Der Preis prämiert die Selbstnostalgie der Verleiher, für die Dylan eine Identifkationsfigur ihrer Jugend ist“, schrieb am 15. Oktober Alban Nikolai Herbst im Blog „Die Dschungel. Anderswelt“. „Der Preis an Dylan nobelitiert den Untergang der (westlichen) politischen Utopien und hebt die Warenform, in dem sie sie verklärt, in den Parnaß.“ Das zu lesen tat gut nach vielen fast schon schluchzenden Begeisterungsbekundungen zur Stockholmer Entscheidung, Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur zuzuerkennen. Das ganz große Register zog dabei Sozialphilosoph Axel Honneth am 20. Oktober in der ZEIT: “So gelingt, was ansonsten nur große Poesie vermag, allerdings im Medium des Allerverständlichsten, dem unerschöpflichen Strom der Musik des nordamerikanischen Kontinents: das Festhalten der Erfahrung, in der disparaten Vielzahl unserer je individuellsten Empfindungen doch einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten anzugehören.”

So schimmernd wird Regression selten verpackt, aber sie lässt das Seidenpapier ganz von selbst reißen beim kleinen “ansonsten” als Grenze zur „großen Poesie“, deren solchermaßen eingestandene Abwesenheit in Dylans Oeuvre Honneth so fabelhaft im „Medium des Allerverständlichsten“ kompensiert sieht. Dass nach großer Poesie nicht lange suchen muss, wer auf einem „Dylan“ besteht, zeigt Alban Nikolai Herbst mit Dylan Thomas, dem walisischen Dichter (1914-1953): „Do not go gentle into that good night…“ Zuerst durfte man ja hoffen, wie einst Sartre würde auch Bob Dylan einer unpassenden Einvernahme widerstehen, doch altersmilde geht er nun der guten Nacht der Alt-68er entgegen, zu der ihn die Schweden eingeladen haben.

Aber treffen Preise jemals allen genehme „Richtige“? Wundern konnte man sich auch über die Donaueschinger Verleihung des Karl-Sczuka-Preises für das „Hörspiel als Radiokunst“ an das Team von „Desert Bloom“, eine dreiviertelstündige Materialauswalzung der eigentlich spannenden Idee, die Kunststadt Las Vegas auch über die Hörbarmachung ihrer elektromagnetischen Felder und Wellen zu erkunden, über die kalten Gesänge von Neon und LED. Ich hörte ein statisch steriles Studioprodukt, in das mit den spitzen Fingern der Pflichtschuldigkeit noch ein paar Obdachlose intarsiert wurden. Weitere (und bewegendere) Eindrücke von den Donaueschinger Musiktagen im Oktober habe ich für die ZEIT zusammengefasst und eigens für diese Website mit einem wunderschönen Foto von Stocki und Teddy ergänzt. Der Rhythmus der Druckmaschinen flankierte dagegen einen Besuch in Göttingens „Düsterer Straße“: Wie es beim legendär obsessiven Verleger und Drucker Gerhard Steidl zugeht, ist hier zu lesen.

Erneut in „Bachs Welt“ begebe ich mich am Freitag, 4. November mit einer Lesung in Flensburg, die um 19.30 Uhr im Gemeindezentrum Engelsby (Brahmsstr. 13) beginnt. „Billy am Meer“ heißt eine Geschichte, die ich für die Reihe der Kinderkonzerte des SWR geschrieben habe, sozusagen die Fortsetzung von „Billy the Kid“ aus dem Sommer 2015. Reiner Strecker liest die Story, eng verzahnt mit Musik von Charles Ives und John Adams, die vom SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Ilan Volkov gespielt wird: am Donnerstag, 9. November um 11 Uhr im Konzerthaus Freiburg.