6. Juni 2019

> Eigentlich ist es beleidigend, eine Komponistin zu fragen, wie es ihr damit gehe, den weltweit wichtigsten Musikpreis als erste Komponistin zu erhalten, nach 24 komponierenden Männern in 45 Jahren, in denen als erste Frau vor elf Jahren die Geigerin Anne-Sophie Mutter den Hauptpreis der Ernst von Siemens-Musikstiftung bekam. Denn mit dieser Frage zielt man, vorbei am Werk, wieder auf die Geschlechterdifferenz und jene “gläserne Decke”, die auch mit der morgigen Preisverleihung in München wieder ein Stück weiter ins Museum rücken dürfte. Wir haben Rebecca Saunders die Frage neulich trotzdem gestellt, am Ende eines Gesprächs in ihrem Berliner Studio – es ist in der ZEIT erschienen und hier nachzulesen. Dem britischen Musikjournalisten Norman Lebrecht war der Preis für Saunders in seinem Blog Slipped Disc übrigens nur ein chauvinistisches Zähneknirschen wert: »Britisch von Geburt, lebt Saunders in Berlin und komponiert deutschen Post-Rihmismus«. Ebensogut könnte Lebrecht einem John Dowland vorwerfen, er habe zuviele italienische Madrigale gelesen. In seiner Inselbesoffenheit wendet er einer großen britischen Tradition den Rücken zu – der Lust am Austausch und der Fähigkeit zur Integration. Die “fairest isle” ist aber auch für Musiker seit längerem ein hartes Pflaster, erst recht in Brexit-Zeiten. Wie hart? Ich besuchte für VAN den Violinisten Sebastian Müller, der sich in London, Manchester und Birmingham als Geigenlehrer mit einer 60-Stunden-Woche durchschlägt.

“Das Lesen, das Schreiben und das Verwandeln des Gelesenen in wörtliche Rede – ,Sie haben nicht mehr genug Leichenwagen’ – erinnern an Roland Barthes”, schreibt Torsten Flüh auf Night out @ Berlin über Der Klang von Paris und fährt fort: “Es ist nicht ganz sicher, ob Volker Hagedorn S/Z von Roland Barthes gelesen hat…” Nein, bislang las ich von Barthes Fragmente einer Sprache der Liebe und Die Vorbereitung des Romans. Letzteres zwar im Vorfeld, aber nicht zur Vorbereitung des Buchs, das nun der Literaturwissenschaftler Flüh nicht von ungefähr als “Roman” liest: “Das Format Roman herrscht mit einer erzählerischen Geste vor.” Was kein Widerspruch sein muss zu dem “filmischen Dokuformat”, das Alexander Dick in der Badischen Zeitung dem Klang von Paris attestiert. Warum Arte nicht längst den Mehrteiler dazu plant, wusste schon die Süddeutsche Zeitung in ihrer Rezension: Der Aufwand wäre “schier unbezahlbar”….