28. August 2020

>Für diesen Tag müsste eigentlich ein Götezitat her – immerhin sein 271ster! Suchen Sie sich eins aus, etwas von ihm passt immer. Mein liebstes ist “Waldung, sie schwankt heran”, wegen der  vorzeitigen Kameraperspektive und der Vertonung in Mahlers Achter. Womit wir schon bei Strauss wären, in dessen Alpensinfonie Mahler auch vorkommt. Was alles in diesem von der intellektuellen upper class lang unterschätzten und verschmähten, von Orchestern aber 65 Mal eingespielten Werk steckt, habe ich für die Reihe “Interpretationen” im Deutschlandradio erkundet – zu hören am Sonntag um 15.05 Uhr. Helmut Lachenmann wird dabei auch zu Wort kommen: Er ist seit längerem fasziniert von der Alpensinfonie, durch die hindurch auch die Zeitläufte ihrer Entstehung schimmern, von 1900 bis 1915.

Selbst der Erste Weltkrieg brachte die Musik nicht so bedrohlich zum Schweigen wie der Lockdown des Jahres 2020. Seine Folgen für die Interpreten wurden schon viel diskutiert, nicht aber die für die Komponisten und ihre Verlage. Für die ZEIT bin ich ihnen nachgegangen und habe mit Chaya Czernowin, Jörg Widmann und Aribert Reimann gesprochen, alle Komponisten jenes Schott Verlags, der in seinem 250. Jahr die größte Krise seiner Geschichte erlebt. Was Verlagsleute dazu sagen, macht klar, dass die gesamte deutsche Musiklandschaft weit über die letzte Infektion hinaus massiv gefährdet ist.

In der Elbphilharmonie hat man dem großen Schweigen trotzig ein Magazin mit dem Motto “Live” entgegengestellt, für das ich außergewöhnliche Konzerte in vier Jahrhunderten besucht habe, sogar eines, in dem ich selbst mitspielte, 1994 in Albanien. Genauso unvergesslich ist für mich der letzte Konzertauftritt vor dem Lockdown. Das gilt für alle Musiker*innen. Jede*r wird Ihnen auf Anhieb exakt sagen können, wann sie oder er zuletzt wo was spielte, dirigierte, sang, ehe die Podien und Säle verwaisten. Diese abertausende persönlicher last minutes werden vermutlich nicht mal verblassen, wenn sich zumindest die Podien wieder so füllen wie in diesem Sommer im klugen, beglückenden Salzburg.