2. Juni 2022

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> Wie selbst die Musik von den Kräften erzählt, die in einer Gesellschaft toben, die zwischen Nationalismus und Weltoffenheit, Moderne und Rückwärtsgewandtheit, kreativem Austausch und militärischen Eskalationsstrategien zerrissen ist“, das, so Ralf Julke in der Leipziger Zeitung vom 20. April, habe man „so geballt noch bei keinem Autor gelesen.“ „Wenn man´s erstmal angefangen hat, kann man´s kaum zur Seite legen“, meint Andreas Göbel am 10. Mai auf rbb Kultur. Im Gespräch mit der Moderatorin liest er aus Flammen auch längere Passagen vor – über die zerschossenen Soldaten, denen 1917 Ethel Smyth als Röntgenassistentin in Vichy begegnet, über den Tumult der Sacre-Uraufführung 1913 mit einem wütenden Claude Debussy, der die Störer als „Schwachköpfe“ zurechtweist (wie es Harry Graf Kessler in seinem Tagebuch überliefert). „Es wird viel gesprochen in diesem Buch“, schreibt Henning Queren am 26. April in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, „das macht es so anschaulich. Dabei wirkt kaum etwas erfunden oder irgendwie unauthentisch (…) Hagedorn geht geradezu filmisch vor, weiß die Schnitte geschickt zu setzen, Cliffhanger zu platzieren und die Schauplätze zu wechseln.” Weitere neue Reaktionen auf Flammen sind zu lesen von Regine Müller in Die Deutsche Bühne und von Manuel Brug (“bunt, prall und kenntnisreich”) in der aktuellen Ausgabe von Oper!.

Vertuer gibt´s auch. In Das Orchester hat die Rezensentin das Jahr 1912 nach hinten verlegt und lässt mitten im Ersten Weltkrieg „in Berlin Franzosen, Russen und Engländer in friedlicher Eintracht vor Deutschen auftreten“, während der Betreiber und Blogger der Plattform takt 1 zwei von acht Kapiteln übersieht, wenn er anmerkt, dass „die ersten und die letzten Jahre dieses Zeitraums [1900 bis 1918] kaum vorkommen.“ Die Jahre 1900 bis 1902 und 1917/18 beanspruchen gut ein Fünftel des Buchs – von der Pelléas-Genese und -Uraufführung bis zu Hindemiths Regimentsquartett.

Auf die gut zwei Jahre, überwiegend im Lockdown, die der Autor von Flammen mit seinen Hauptprotagonisten verbrachte, blickt er in Ethel und Claude zurück, seit gestern online bei VAN. Dem vorzüglichen Layout dazu ist die Pinnwand oben entnommen, auf der Smyth und Debussy vereint sind: Sie 1914 im ägytischen Helwan, er 1904 in Pourville an der Atlantikküste.