30. November 2023

> Je häufiger ich diese sieben Minuten höre, desto tiefer scheinen sie zu werden. „Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“ So heißt das Orchesterwerk, das Younghi Pagh-Paan für die Donaueschinger Musiktage 2023 komponiert hat, für das SWR Symphonieorchester, das diese Musik mit Dirigent Ingo Metzmacher am 22. Oktober 2023 uraufgeführt hat. (Der Videomitschnitt des ganzen Konzerts ist hier zu finden, ihm entstammt als Screenshot das Bild der vier Kontrabassisten.)
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Der Titel ist Johannes 20, 15 entnommen, wo sich Jesus mit diesen Worten an Maria von Magdala wendet, die an seiner leeren Grabhöhle weint. Es geht der Komponistin dabei um „den großen Trost, den ein weinender und suchender Mensch erfährt, und die große Stärkung darin.“ Ein dicht und lebendig gefügtes, schattenreiches, schmerzvolles, aber auch lichterfülltes und extrem gegenwartsoffenes Werk ist das, und schon das zweite von Younghi Pagh-Paan, das in diesem Jahr fertig und uraufgeführt wurde, nach dem – ganz anders ausgerichteten – „Die Blüte – Wurzelwerk“ für Klavier und Ensemble, vom Münchner Kammerorchester im März erstmals gespielt. Diesem Naturwunder energiereicher Farben ist nun also eine Musik gefolgt, von kurzer Dauer nur den Minuten nach, die mir als eine der bedeutendsten, bewegendsten, unauslotbarsten dieser Jahre erscheint – nicht nur mir: „Die intensiven Klangfarben dienen als Ausdrucksträger, die Wahrhaftigkeit der Aussage wird durch die einzigartige Klarheit des Orchestersatzes verstärkt“, schrieb Max Nyffeler in seiner exzellenten Rückschau auf die Donaueschinger Musiktage, erschienen am 24. Oktober 2023 in der F.A.Z. Heute, am 30. November, feiert Younghi Pagh-Paan in Bremen ihren 78. Geburtstag. Großen Glückwunsch!

Ingo Metzmacher war es übrigens auch, der zu Beginn des Jahres das summum opus eines weniger bekannten Komponisten aufführte. Anton Plate (1950-2023) war einer der Helden meiner Jugend, nicht als Komponist, sondern als Dirigent eines Jugendsinfonieorchesters. Warum, das erkundete ich mit einem Umweg über Tschaikowsky im ICE für VAN. In diesem ICE wiederum saß ich auf dem Weg nach Zürich, um dort Klaus Florian Vogt zu treffen, den Siegfried der neuen Götterdämmerung