Im Herbst 2021 begann man in der Elbphilharmonie mit den Planungen für das Musikfest 2024, Motto: “Krieg und Frieden”. Das könnte man prophetisch nennen, wenn dieses Thema nicht jederzeit “aktuell” wäre. Inzwischen ist es allerdings (wieder) unausweichlich. Gegen den Tunnelblick, der militärische Konflikte und Kriege von jeher ebenso mit herbeiführt wie eskalieren lässt, legen die Horizonte der Kultur gerade in ihrer “Machtlosigkeit” unschätzbare Perspektiven frei. Wie gut, dass das Musikfest nun begonnen hat, das bis zum 2. Juni 2024 beste Musiker nach Hamburg führt. Wie gut, dass einer von ihnen, der Dirigent Vladimir Jurowski, sich nach wie vor klar gegen Versuche wendet, “einen ganzen Teil der Weltkultur, nämlich die russische Kultur, erst einmal stumm zu schalten. Das ist ja genau das, was Putin will, es rechtfertigt seine Handlungen.”
Jurowski steht damit neben Maurice Ravel, der 1916 schon – ziemlich allein – klare Worte zu kriegsbedingten Musikboykotts fand. Nachzulesen sind sie auch – wie das Interview mit Jurowski – im neuen Elbphilharmonie Magazin, für das ich im Essay “Der Mensch ist ein Abgrund” erkundet habe, wie die Musik des 20. Jahrhunderts auf Kriege reagierte, von Alban Berg bis Steve Reich. Empfohlen sei ein Abo und sowieso die Gratis-Lektüre der 19 bisherigen Ausgaben. In der aktuellen Ausgabe findet sich auch Till Brieglebs lesenswerte Geschichte über die “Kriegsnarben” Hamburgs, die nicht nur von 213 Luftangriffen der Alliierten im 2. Weltkrieg hinterlasssen wurden, sondern auch von den “nach 1945 umstandslos weiterbeschäftigten Planern des Dritten Reichs”.
Das Foto oben ist ein Screenshot aus Battle of the Somme, einem bis heute allen Briten vertrauten dokumentarischen Stummfilm von einer der grauenhaftesten Schlachten des Ersten Weltkriegs, zu der im Juni 1916 zwei britische Kameramänner an die Somme im Norden Frankreichs geschickt wurden. In den Tagen vor der Konfrontation von 150 britischen, französischen und deutschen Divisionen entstanden Bilder kampfeslustiger junger Männer, aber ihnen folgten andere. Schon am ersten Tag der Schlacht verloren mehr als 19.000 Briten das Leben, unter ihnen viele Freiwillige. Zu diesem Film schrieb, 100 Jahre später, Laura Rossi eine Musik, der sie – atmen Sie auf, jetzt wird es friedlicher! – einen Auftrag der Oper Zürich verdankt. Warum und wie sie dazu kam, Töne für ein Ballett zu Ian McEwans Roman Atonement zu finden, erzählt sie hier.
(Aktualisiert am 5.5.24)