“Aber diesmal geht es anders weiter, mit einer Art Klopfen der Töne, dann ruft Strawinsky „Rideau!“, Vorhang, legt kurz die Hände in den Schoß und sieht zu, wie sein Kompagnon taktelang nur Achtelakkorde drischt, mit beiden Händen und mit komischen Akzenten, das erinnert Chouchou an einen Tanzbären im Bois de Boulogne, und dann versteht sie alles: Wie die verrückten streitenden Vögel um den Bären herumfliegen und er sich von der Kette des Bärenführers losreißt und hinter zwei Radfahrern herläuft, die panisch in die Pedale treten, und Leute schreien, Automobile hupen, dann haut der Bär, oder ihr Papa, auch noch eine Trommel kaputt, und plötzlich schwebt von oben eine gute Fee herbei oder so etwas, die beiden Männer schlagen ein paarmal furchtbar wütend in die Tasten, gleichzeitig, dann ist Ruhe, Papa spielt etwas Ruhiges und Tiefes, allein, „sostenuto, Streicher“, sagt Strawinsky leise, Debussy bremst ab, spielt langsamer, dunkler, das Licht wechselt, man ist woanders… nicht hier…”
So zu lesen auf Seite 217 in “Flammen”, demnächst auch live zu hören einschließlich der Passagen aus Le sacre du printemps, nicht mit Debussy und Strawinsky am Klavier, sondern mit Katerina Moskaleva und Alexey Pudinov, dem Duo TWO4PIANO, mit dem zusammen ich am 15. Juni einen Nachmittag bei den Musikfestspielen Potsdam gestalte: “Tanzwut: Paris 1913″ heißt das Programm, es umfasst aber auch einige weitere Jahre und Werke, bis hin zu Ravels La valse. Das Foto oben hat übrigens Erik Satie in Debussys Wohnung in Paris gemacht, im Juni 1910.
“Oper ist Leben, sie ist Realität, und sie spricht dauernd von Realität. Sehen Sie sich doch nur um, was in der Welt passiert”, sagte Maria Agresta am Ende unseres Gesprächs während der Proben zu Verdis I vespri siciliani in Zürich. Die süditalienische Sopranistin singt die Hauptrolle der Elena in der Inszenierung von Calixto Bieito, die an diesem Sonntag Premiere hat. Ein ganz anderer Blick hinter die Kulissen öffnet sich, wenn der Inspizient des Hauses von seiner Arbeit erzählt. Felix Bierichs besondere Gabe dafür: “Ich werde ruhiger, wenn die anderen nervöser werden.”