2. September 2025

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Den Nachrufen auf Gabriel Feltz füge ich keinen hinzu. Ich erfuhr erst gestern, dass dieser großartige Musiker und Dirigent am vergangenen Freitag mit gerade erst 54 Jahren völlig unerwartet gestorben ist, und bin darüber fassungslos. Ich lernte ihn vor knapp zehn Jahren in Dortmund kennen, bei einem Gespräch für das Magazin der Oper Zürich, an der er gerade begonnen hatte, Wolfgang Rihms Hamletmaschine zu proben. Das Treffen war so gut, spannend und ergiebig, dass nicht nur ein Porträt für das Magazin daraus wurde, sondern auch ein Interview für VAN. Und noch mehr wurde daraus. Als Gabriel Feltz 2021 mitten im Lockdown seine Gesamtaufnahme der Mahler-Sinfonien herausbrachte – von 2007 bis 2019 live eingespielt mit den Stuttgarter Philharmonikern und den Dortmunder Philharmonikern -, wünschte er sich eine Art “first listener”-Text für das Booklet. Ich sollte dabei keine Rücksichten nehmen. Er freute sich aber doch, dass das Ergebnis “positiver, als ich erwartete” ausfiel. Sehr verhalten ausgedrückt! Seine Aufnahmen haben sicher nicht nur mich Gustav Mahler neu entdecken lassen. Den Text habe ich – das war so eine Art konstruktive Trauerarbeit – jetzt überarbeitet und auf diese Website gestellt, auch als Empfehlung für alle, die Gabriel Feltz mit Gustav Mahler noch nicht erlebten.

codex buranus, veni

Das hier ist ein Ausschnitt aus einer Seite des Codex Buranus, einer Handschrift mit mehr als 200 Texten und Liedern, die um das Jahr 1230 entstand und erst 1803 wiederentdeckt wurde. Mit großem Initial beginnen da Verse, die manchen Leser*innen vielleicht bekannt vorkommen: “Veni, veni, venias, / ne me mori facias, / hyrca, hyrce, nazaza, / trillirivos! / Pulchra tibi facies…” “Komm, komm, so komm doch,/ lass mich nicht sterben…” Es folgen unübersetzbare Freudenlaute, dann beginnt mit “Schön ist dein Gesicht” eine Lobpreisung in diesem Gedicht des Begehrens, das Carl Orff in seinen Carmina Burana vertonte mit weiteren 22 Texten aus dem Codex Buranus. Die Geschichte dieser Handschrift, die erst nach und wegen Orffs Welterfolg in ihrer ganzen Tragweite erschlossen wurde, finde ich nicht weniger spannend als die Musik der Carmina Burana, um die ich lange einen Bogen machte. Der mündete jetzt in unerwartete Hörfreuden und einen Essay für das Gürzenich Orchester Köln.