Heute schreibe ich ab! Nicht aus Faulheit, sondern um die hektargroßen Nachrufe auf den gewaltigsten Literaturkritiker aller Zeiten um Passagen dreier deutschsprachiger Schriftsteller zu ergänzen, mit denen er nichts anfangen konnte. Unfehlbar war er selbst in der Treffsicherheit seiner Irrtümer, denn es handelt sich unter den Eigenköpfigsten der letzten 60 Jahre auch gleich um ihre Bedeutendsten. Den ersten fand er „kurios und weltfremd“, über den zweiten schrieb er, stärker als dessen literarische Leistung sei sein Image, den Rang des dritten bezweifelte er mit dem Hinweis „Ich kann mich nicht irren“. Na dann!
Zur Linken ein Wiesewässerchen, 80 Zentimeter breit (…) Jungbäume reckten dünne schwarze Reiherhälse. Ab & zu 1 Blatt aus ff.=Gelb. : „Und hier : hastu das schon ma gesehen?“ : 4 Birken in 1 Reih. Und an jeder diverse Konsolpilze, weißledern und schüsselgroß. / (Und während noch ihr Kopf erfreut schüttelte. Und während ihre Hand noch den Skizzenblock hielt : machte ich sie schon wieder auf das Eichenbüschel daneben aufmerksam, das verbissen alle=seine Blätter festhielt : die waren braun verbrannt wie Santos, mit hellgelben Adern ! — : „Sowas Verrücktes iss selbst=mir noch nich vorgekomm´!“ / Und sie zeichnete dankbar, und notierte die kuriosen Fehl=Farben.
Wie der Wind oft erst den Anblick, die Gegenständlichkeit der Bäume erzeugt, auch gerade, indem er deren besondere Gegenständlichkeit auslöscht, verwandelt, umwandelt, versetzt, von der Stelle versetzt, bewegt, die Bäume in Wellen, Licht und Farben umsetzt, und so erst betrachtbar, erkennbar in ihrer Eigenart werden läßt – wie eben jetzt die sich wellenden, farben- und lichtspielenden, sich im Wind aufhellenden Bäume dort in der fernen Allee: vom Wind verwandelt, zeigt jeder Baum für sich erst sich erkenntlich: in der Verwandlung, durch Wind und Licht, erscheint mir erst der Gegenstand, wird der Baum mein Gegenüber und nimmt mich in sich auf (…)
Der See ist umgeben von dem grünen Kranz eines Laubgehölzes, das aufgrund der fortschreitenden Erosion der Küste von der Meerseite her allmählich abstirbt. Sicher ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kiesbank in einer Sturmnacht durchbrochen wird und die ganze Gegend ihr Ansehen verändert. Aber doch konnte man an dem Tag, an dem ich dort an dem stillen Ufer saß, glauben, man schaue in die Ewigkeit. Die Dunstschleier, die am Morgen landeinwärts trieben, hatten sich aufgelöst, das Himmelsgewölbe war leer und blau, kein Hauch regte sich in der Luft, wie gemalt standen die Bäume, und nicht ein einziger Vogel flog über das samtbraune Wasser.
Erraten? Zuerst spazierte Arno Schmidt durch Norddeutschland im „Kaff“, 1960, dann Peter Handke durch Österreich „Unterm Felsenfenster“, 1985, schließlich W.G. Sebald an Englands Küste in „Die Ringe des Saturn“, 1995. Zur „Litterrrattuuhrr!“ freilich fehlt allen drei Bänden eine griffige Handlung. Und allen, denen sie nicht fehlt, wird MRR natürlich trotzdem fehlen. Griffig war er ja wirklich.