Lichtschächte erhellen einen mittelalterlichen Turmrest, der das Zentrum eines Saals mit gläserner Längswand bildet. Geschichte und Gegenwart führen Dialoge. Auch ein spätmittelalterlicher Wohnbau gehört zum Ensemble, der nach seiner Sanierung schon jetzt als „Musterfall nachhaltiger Denkmalpflege“ gilt. Zudem hat Architekt Michael Frielinghaus eine Kapelle entworfen, die „zwischen Zerbrechlichkeit und archaischer Wucht“ vibriert. Der F.A.Z.-Architekturkritiker gerät schier ins Schwärmen über das Ergebnis eines Bauprojekts, das offenbar jeden Cent wert ist, den es gekostet hat.
Genauer gesagt: mindestens 31 Millionen Euro, deren größeren Teil der Bauherr wohl an allen Gremien vorbei aus der Schatulle der katholischen Kirche geholt hat. Seine Amtsbrüder im Barock taten das ständig, wir verdanken ihnen viel Schönes. Heute bedarf der Vorgang der Klärung und der Konsequenzen. Es bedarf allerdings nicht der Hexenjagd, die derzeit veranstaltet wird, mit Menschenketten und Mahnwachen, mit Feuerschale und Gesang, mit moraldröhnenden Kommentaren auf den vorderen Seiten jener Tageszeitungen, deren Feuilletons weiter hinten die Schönheit des Baus besingen, mit „Bild“-Schlagzeilen zum „Protzbischof“ und höhnischen Vorschlägen, welche Luxuslimousine zu ihm passen könnte.
Während des Bischofs Rücktritt nur eine Frage der Zeit ist, amtiert noch immer ein Minister, der keine Verantwortung übernehmen mag für 668 Millionen Steuergeld. Soviel hat das Verteidigungsministerium für den „Eurohawk“ bezahlt, eine funktionsunfähige Drohne. Der Betrag entspricht 40000 Kitaplätzen oder zwölf Jahresetats eines Staatstheaters mit Oper, Schauspiel und Ballett. Irgendwann gab Thomas de Maizière zwar zu, er habe schon lange von Problemen gewusst, die seien ihm aber als lösbar dargestellt worden. Die Verantwortung wurde solange herumgereicht, bis sie verschwand. De Maizière durfte sich als Minister über einen großen Wahlsieg seiner Partei bei der Bundestagswahl freuen.
Vielleicht muss eine Summe nur groß und eine Interessenlage komplex genug sein, damit die Öffentlichkeit resigniert. Wo es um Waffenhandel, NAFTA oder Überwachung geht, blickt man halt schwer durch. Im Schatten solcher Vorgänge verschafft das Spotlight auf einen arroganten Bischof und einen Betrag, den jeder Häuslebauer kapiert, den Leuten solche Erleichterung, dass sie den Kunstsinnigen wie die Sau durchs Dorf treiben.
Vor zwei Jahren widerfuhr dem Bundespräsidenten ähnliches. Von den Vorwürfen gegen Christian Wulff blieb in etwa die Frage, ob ihm mal eine Übernachtung bezahlt wurde. Dazu werden demnächst in Hannover an 22 Verhandlungstagen 45 Zeugen aussagen. Es geht um 700 Euro. Soviel zur Verhältnismäßigkeit. Es ist die einer Gesellschaft, die lieber zehn Sündenböcke grillt, als einmal zu fragen, wofür in aller Welt man Drohnen braucht.
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