18. Oktober 2015

> Für eine neue Kolumne reicht die Zeit mal wieder nicht, denn ich habe einige Stunden verwendet, um vier größere Texte online zu stellen, die in jüngerer Zeit erschienen sind. Für die ZEIT behorchte ich neue und neu aufgelegte Aufnahmen von Musik der Bachs vor Bach, für “128″ verfolgte ich die Evolution des Dirigentenberufs vom späten 15. bis ins frühe 21. Jahrhundert, für das Magazin der Zürcher Oper traf ich in München die Sängerin Waltraud Meier und in Salzburg den Dirigenten Giovanni Antonini.

Das alles sind übrigens Periodica, die den “Anspruch der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ – verankert im Urhebervertragsrecht – ernst nehmen. Weil das in der Praxis keineswegs der Normalfall ist, stellte Anfang Oktober das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung” dieses Anspruchs online und bemerkte zur Ausgangslage: „Eine gestörte Vertragsparität führt dazu, dass sich Kreative in vielen Fällen noch immer auf Vertragsbedingungen einlassen müssen, mit denen sie alle Rechte am Werk beziehungsweise an ihren Leistungen gegen eine unangemessene Einmalzahlung aus der Hand geben („Total Buy Outs“). Den Kreativen fehlt nach wie vor oft die Markt-und Verhandlungsmacht, um den gesetzlich verankerten Anspruch auf angemessene Vergütung tatsächlich durchzusetzen. Ihnen droht, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen, häufig ein faktischer Boykott („Blacklisting“).“

Am 8. Oktober folgte scharfe Kritik an dieser Problembeschreibung und den Lösungsvorschlägen. Sie kam von Seiten der Verbände der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger. Die Vorschläge des Ministeriums gehen ihnen zufolge „pauschal von einer fehlenden Augenhöhe von Urhebern und Werkmittlern aus, ohne hierfür eine empirische Grundlage erkennen zu lassen.“ Der Entwurf enthalte „Regelungen, deren Umsetzung die Zeitungs- und Zeitschriftenhäuser wirtschaftlich unnötig belasten und einer Zusammenarbeit zwischen Presseverlagen und freien Urhebern schaden würde.“

Zur empirischen Grundlage trage ich hier gern einen kleinen Mailwechsel bei, der sich nach der Veröffentlichung eines Textes zum 400. Geburtstag von Heinrich Bach in der „Badischen Zeitung“ ergab, mit der mich eine lange und erquickliche Zusammenarbeit verbindet. Am 23. 9. 15 teilt mir eine Sekretärin mit: „Sehr geehrter Herr Hagedorn, für die Honorierung Ihrer Artikel/Bilder benötigen wir Ihr Einverständnis zur anhängenden Nutzungsvereinbarung. Es genügt, wenn Sie per Mail zurückschreiben: gelesen und akzeptiert.“ Am 25. 9. 15 antworte ich: “Zur Nutzungsvereinbarung muss ich Ihnen sagen, dass ich sie so nicht unterzeichnen kann. Sie umfasst 1. das unbeschränkte Nutzungsrecht an allen von mir in der Vergangenheit [und in der Zukunft, Anm. VH] für den Verlag verfassten Texten, 2. “Deep Links”, die einer erneuten öffentlichen Zugänglichmachung gleichkommen, gewerblich nutzbar sind und extra vergütet werden müssten, 3. die Freistellung des Verlags von Ansprüchen Dritter für den Fall, dass solche ihre Rechte verletzt sehen. Ein äußerst unwahrscheinlicher Fall zwar, aber doch ein zu heikles Feld, um sämtliche Risiken (die ZB auch durch die redaktionelle Bearbeitung von Texten erhöht werden können) dem Autor zuzulasten.” Antwort aus Freiburg am 30.9.15: „Bitte seien Sie sich im Klaren, daß wir in Zukunft nicht mehr mit Ihnen zusammenarbeiten können, wenn Sie unseren Nutzungsvereinbarungen nicht zustimmen.“ Ob sich die Verleger auch im Klaren darüber sind, für welche Art von Zeitungen Leser weiterhin gern etwas bezahlen möchten?