9. Dezember 2021

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Das ist – vor vier Wochen fotografiert – Saint-Sulpice im 6. Pariser Arrondissement, wo Heinrich Heine und Victor Hugo sich trauen ließen und wo 1862 Aristide Cavaillé-Coll die wunderbare Orgel vollendete, die dort bis heute erklingt. Auch Louis Vierne spielte an ihr, ehe er zum Organisten von Notre-Dame wurde, Komponist jener sechs großen Orgelsymphonien, die in diesem Jahr von sechs Organisten in Norddeutschland zum “Kathedralklangkosmos” zusammengefügt wurden – ein außergewöhnliches Projekt. Im Zentrum standen drei Konzerte mit Text-Intermezzi zu Vierne, je einem zwischen erster und zweiter Sinfonie, dritter und vierter, fünfter und sechster. Ein Orgelmarathon, aber mit allem Komfort: In langen Pausen wurden den Besuchern auf den Kirchenvorplätzen von Stadthagen, Nienburg und Rotenburg an der Wümme Pizza und Getränke gereicht – bis auf den Wein gratis wie auch der Konzertbesuch -, und in den Kirchen gab es neben dem Gestühl auch Liegestühle und Hängematten. Wer sich dort den Vierne´schen Orgelromanen und ihren Farbräuschen hingab, wird es nie vergessen – aber ebensowenig das leidensreiche Leben, dem der halbblinde Komponist diese Meisterwerke abgewann.

Nach Paris führte mich jetzt aber nicht Vierne, sondern einer von Verdis besten Interpreten: Bariton Ludovic Tézier hatte Zeit für einen Kaffee im Zentrum der Stadt, in der man seinen Rigoletto bejubelt. Danach war Zeit für den Versuch, Claude Debussy zu besuchen – wie der ausging, ist in VAN zu lesen. Manchmal muss man gar nicht so weit fahren, um nach Paris zu kommen. Die Bremer Kunsthalle zeigt noch bis Ende Februar “Manet und Astruc – Künstlerfreunde”, eine atemberaubend gut bestückte und kuratierte Ausstellung mit Werken von Édouard Manet und Zacharie Astruc. Gleich im ersten Saal findet sich Manets “Musik im Tuileriengarten” von 1862 – ein Schlüsselbild in vielerlei Hinsicht und besonders für mich. Dieses Werk, auf dem u.a. Charles Baudelaire und Jacques Offenbach zu sehen sind (links und rechts im Bild, jeweils vor einem Baum stehend oder sitzend), spielt im “Klang von Paris” (S. 316 ff) eine Rolle.

manet tuileries

Paris war auch die Wahlheimat eines bis vor kurzem fast vergessenen Komponisten. Szymon Laks, 1901 in Warschau geboren, wurde an der Seine zu Simon Laks – und im Mai 1941 seiner jüdischen Herkunft wegen festgenommen. Wie es ihm gelang, Auschwitz zu überleben, und warum er mit dem, was er vor und nach der Zeit im Vernichtungslager schrieb, zu den bedeutendsten Liedkomponisten seines Jahrhunderts gehört – das ist zu lesen in einem Text, der für die Geschichtsseite der ZEIT entstand.

Rund 450 Seiten hat das Buch, das nach zwei Jahren Arbeit nun im Hamburger Trockendock ist und seinen Stapellauf im Rowohlt Verlag am 12. April 2022 erwartet: “Flammen – Eine europäische Musikerzählung 1900-1918″.